Moderne Mythen

„Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, dem ist neulich etwas merkwürdiges passiert…“ Kennen Sie diesen Gesprächseinstieg? Häufig wird damit die Erzählung eines sogenannten modernen Mythos eingeleitet. Doch was ist ein moderner Mythos, wie entsteht er und wie ist er hinsichtlich seines Wahrheitsgehaltes zu bewerten? Der Ursprung der Erzählung und dessen Urheber lässt sich kaum noch zurückverfolgen. Dementsprechend kann auch angezweifelt werden, dass die Alltags Sagen wahre Begebnisse wiedergeben.

Foto von Ramdlon von Pixabay

Moderne Mythen, auch Alltags Sagen oder urbane Legenden genannt, befassen sich mit mehr oder weniger skurrilen oder gruseligen Begebenheiten. Sie werden meistens mündlich weitergegeben – vom Gesprächspartner meist mit der Überzeugung, es handle sich um eine wahre Begebenheit. Auch in Internetforen stößt man immer wieder auf moderne Mythen, oft auch mit dem Ziel, diese zu sammeln und den Wahrheitsgehalt zu prüfen. Was Schauergeschichten und Volksmärchen im Mittelalter waren, sind heute moderne Sagen – am Lagerfeuer oder in der Kneipe hüllen sie die Gesprächsrunde in ein wohliges Schauern.

Die Spinne in der Yucca Palme

Als eine der bekanntesten modernen Sagen gilt die Geschichte von der Spinne in der Yucca-Palme. In diese Geschichte kauft eine Frau sich eine Palme und gießt diese regelmäßig. Dabei wundert sie sich über ein seltsames Quieken, das immer einsetzt, wenn sie sich um ihre Pflanze kümmert…Nachdem ihr dies eine Weile keine Ruhe gelassen hat, lässt sie von einem Kammerjäger die Pflanze überprüfen. Er findet eine hochgiftige Spinne in dieser, die sogar schon Eier gelegt hat und bei Angst immer quiekte.

Plausibel wäre die Geschichte der Yucca-Palme ja noch halbwegs, und sicher sind ähnliche Ereignisse auch schon geschehen. Urban Legends können aber weitaus unheimlicher sein, und auch den Zweck verfolgen, Menschen einzuschüchtern oder zu warnen.

So ging in den USA der Mythos um, dass es einen Mann gäbe, der zu Halloween an die Kinder Äpfel mit Rasierklingen verteile. In deutschen Diskotheken wird immer wieder vor einem aidskranken Mann gewarnt, der mit einer Spritze mit infiziertem Blut andere Gäste anstecken möchte. Regelmäßig muss sich das Unternehmen IKEA mit der urbanen Sage befassen, dass in den Möbelhäusern regelmäßig Kinder verloren gingen und dann wieder unter Drogen aufgefunden würden. Die Sorge um Kinder ist ohnehin ein beliebtes Motiv in urbanen Sagen. An einer Schule suchten besorgte Eltern den Direktor auf, der in einem Elternbrief vor Aufklebetattoos gewarnt hatte, die LSD erhielten und die Kinder süchtig machen würden – er musste zugeben, dass er keine Beweise für diese Theorie hatte und die Warnung – ohne sie zu hinterfragen – für bare Münze genommen hatte.

Warum sind moderne Sagen zur Zeit so beliebt?

Zum einen, weil die Gesprächspartner für die Wahrheit der Geschichte bürgen, immerhin sind sie davon überzeugt, dass sich die Begebenheit in ihrem Bekanntenkreis tatsächlich zugetragen hat. Zum anderen zielen die Großstadtsagen, deren Inhalt oft furchteinflößend ist, weniger auf den Verstand, als auf das Gefühl. So kursiert seit vielen Jahren die Geschichte, dass ein Sohn seiner Mutter ein originelles Geldgeschenk machen will und er zu diesem Zweck in einem Monopolyspiel das Spielgeld durch echtes Geld austauscht. Die Mutter machte sich wenig aus Spielen und tauschte das Spiel kurzerhand um. Skepsis ist bei derartigen Erzählungen immer angebracht – aber ob wahr oder nicht, die modernen Sagen befriedigen das Bedürfnis des Menschen nach spannenden, aber auch gruseligen Geschichten.

Autor