Geschlechtskrankheiten machen auch vor dem Alter keinen Halt

Gegenwärtig liegt die Zahl der sexuell übertragbaren Infektionen bei 50- bis 90-Jährigen so hoch wie nie zuvor. Das belegen mehrere Studien aus England, Kanada und den USA. Nach Informationen von Dr. Osamah Hamouda vom Robert Koch Institut (RKI) ist die Situation „in vielen Industrieländern ähnlich“. Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Geschlechtskrankheiten bei der Generation 50+ ein zunehmendes Problem. Betroffen sind homo- als auch heterosexuelle Frauen und Männer.

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Geschlechtskrankheiten sind Infektionen, die durch sexuelle Kontakte übertragen werden. Ungeschützter Sex und wechselnde Partner erhöhen das Risiko einer Ansteckung. Zu den hierzulande am stärksten verbreiteten Krankheiten zählen Chlamydien, Gonorrhoe (Tripper), Trichomoniasis und Syphilis. Aber auch die HIV-Neuinfektionsrate ist gleichbleibend hoch.

Die Erreger befinden sich in den Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Scheidensekret, Speichel) und gelangen über die Schleimhäute in den Blutkreislauf. Bei einigen Erkrankungen erfolgt die Infektion bereits durch Hautkontakt. Somit können Geschlechtskrankheiten beim Vaginalsex, Oralsex, Analsex, der gemeinsamen Benutzung von Sexspielzeug, Petting oder beim Küssen übertragen werden. Eine überstandene Infektion schützt nicht vor erneuter Ansteckung.

Mehrere Gründe für sprunghaften Anstieg

Seit einigen Jahren steigen die Infektionszahlen in älteren Bevölkerungsgruppen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren werden aktuell je nach Geschlechtskrankheit doppelt bis dreifach so viele Ansteckungen verzeichnet. Die genauen Ursachen für den Anstieg der Infektionen sind Forschern zufolge noch nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden mehrere Faktoren:

  • Durch die verbesserte medizinische Versorgung und steigende Lebenserwartung spielt Sex nicht nur in jüngeren Jahren eine wichtige Rolle. Einer Umfrage zufolge sind in der Altersgruppe der 50- bis 90-jährigen etwa 80 Prozent regelmäßig sexuell aktiv.
  • Potenzsteigernde Mittel ermöglichen es die sexuellen Bedürfnisse auch in der zweiten Lebenshälfte auszuleben. In der Auswertung der Daten aus England, Kanada und den USA konnten Forscher einen Zusammenhang mit Geschlechtskrankheiten feststellen: Bei Männern, die potenzsteigernde Mittel einnahmen, wurden sexuell übertragene Krankheiten häufiger diagnostiziert. Das Risiko ist insbesondere im ersten Behandlungsjahr erhöht.
  • Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren führen zu trockeneren Schleimhäuten. Für Frauen steigt das Infektionsrisiko durch vaginale Trockenheit nach der Menopause.
  • Da das Risiko einer Schwangerschaft ab 50 praktisch nicht mehr existiert, fällt der Verzicht auf Kondome leichter. Belastbare Studien zum Kondomgebrauch im Alter gibt es derzeit allerdings noch nicht.
  • Online Dating über Internet-Kontaktbörsen gewinnt auch bei älteren Bevölkerungsschichten an Popularität und ermöglicht viel mehr sexuelle Kontakte. In den vergangenen Jahren hatten Menschen zwischen 50 und 90 mehr neue Sexualpartner als je zuvor.

Sex und Geschlechtskrankheiten gelten als Domäne der Jugend

Statistisch gesehen waren bisher Menschen im Alter von 15 bis 30 Jahren am häufigsten von Geschlechtskrankheiten betroffen. Deshalb sind Jugendliche und junge Erwachsene die Hauptzielgruppe, wenn es um Präventionskampagnen geht. Ältere Bevölkerungsschichten werden aktuell nur selten als Risikogruppe wahrgenommen. Spezielle Informations- und Aufklärungsangebote für Menschen ab 50 sind rar. Das fehlende Bewusstsein hat negative Effekte in zweierlei Hinsicht.

Einerseits wiegen sich Menschen der Generation 50+ in trügerischer Sicherheit, weil sie Geschlechtskrankheiten mit der Jugend assoziieren. Folglich werden die Themen Safer Sex und regelmäßige Kontrollen nicht ernst genug genommen. Das leistet der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten unter Altersgenossen weiter Vorschub.

Andererseits denken Ärzte häufig nicht an sexuell übertragbare Infektionen, wenn ältere Patienten ihnen von Beschwerden erzählen. Stattdessen geht die Diagnoseermittlung zuerst in eine andere Richtung. Bleibt die Erkrankung in einer solchen Situation längere Zeit unbehandelt, können in der Zwischenzeit unbewusst weitere Personen infiziert werden.

Forscher fordern ein Umdenken

Geschlechtskrankheiten können jeden treffen, der sexuell aktiv ist. Auch mit 50, 70 oder 90 Jahren ist das Risiko nicht automatisch gebannt. Deshalb darf die Gefahr auch in der zweiten Lebenshälfte nicht unterschätz werden. Die Forderung der Wissenschaftler richtet sich in erster Linie an die Ärzte.

Aus ihrer Sicht sind Mediziner in der Pflicht ältere Patienten, die wegen Erektionsstörungen in die Praxis kommen, gezielt an das Risiko für Geschlechtskrankheiten zu erinnern. Zudem bestünde weiterer Forschungsbedarf zum Thema Sex im Alter, um den Präventionsbedarf besser einschätzen zu können. Aber auch die Patienten selbst sollten aktiv werden. Durch die Benutzung von Kondomen lässt sich das Risiko für eine Ansteckung deutlich verringern.

Zudem ist es empfehlenswert das Thema Geschlechtskrankheiten bei jedem neuen Partner anzusprechen und sich vorsorglich einmal im Jahr auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen. Denn früh genug behandelt, lassen sich die meisten Infektionen heilen. Diese Verhaltensweisen bieten bewiesenermaßen den besten Schutz vor Geschlechtskrankheiten und sorgen für unbeschwerten Spaß im Bett bis ins hohe Alter.

Quellen:

  1. 
https://www.euroclinix.net/de/geschlechtskrankheiten
  2. https://www.welt.de/gesundheit/article13871635/Aeltere-haben-immer-mehr-Geschlechtskrankheiten.html

  3. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/grossbritannien-geschlechtskrankheiten-unter-aelteren-boomen-a-562956.html
  4. http://www.independent.co.uk/life-style/health-and-families/health-news/older-people-stis-sexually-transmitted-infections-50-to-70-chief-medical-officer-report-dame-sally-a7463861.html

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