Hat man durch das „Wegwischen“ im Internet den Respekt vor den Menschen verloren?

Lebensfreude50 - Dating

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die Zeiten haben sich geändert

In den Zeiten des Internets hat sich auch das Datingverhalten der Menschen geändert. Früher wurde eine regionale Zeitungsannonce geschaltet, wenn ein Mensch in einem gewissen Alter eine neue Partnerin oder einen Partner suchte. Heute existieren massenhaft Datingportale, die die Partnersuche anonymisiert viel einfacher machen. Bei einigen wird zunächst rein optisch nach Profilbildern entschieden, ob es sich lohnt, einen ersten Kontakt aufzunehmen. Eine sehr bekannte App für Smartphones ermöglicht es sogar einfach Menschen nach rechts oder links zu wischen, um so zu sortieren, was gefällt und was nicht. Wischen beide nach rechts, hat man ein sogenanntes „Match“ und man kann miteinander chatten. Wischt einer nach links, ist ein weiterer Kontakt für immer und ewig ausgeschlossen. Da fragt sich der ein oder andere, ob diese Art der Vorauswahl moralisch ist oder nicht. Haben wir durch solche Apps den Respekt vor dem Menschen verloren? Mit dieser Frage wollen wir uns im Folgenden auseinandersetzen.

Die psychologische Betrachtungsweise

Betrachtet man die Selektion durch das Wegwischen von Profilbildern in dieser App aus psychologischer Sicht, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Verhalten moralisch nicht bedenklich ist. Schließlich ist diese recht schnelle Entscheidung nichts anderes, als sie auch bei einer realen Begegnung der Fall wäre. Auch hier entscheiden die Menschen in der ersten Sekunde, ob ihnen ihr Gegenüber sympathisch ist oder nicht. Der Moment des ersten Eindrucks ist psychologisch allgemein bekannt. Bei realen Begegnungen kann man den Eindruck mit der Zeit noch korrigieren. Das ist nach dem Wegwischen in einer App natürlich nicht mehr der Fall. Ist die Entscheidung rein nach Sympathie gegen eine Person getroffen worden, ist sie damit endgültig. Das Profil ist für immer und ewig verschwunden und taucht in der App nicht erneut auf. Weder für den Wegwischer noch für den Weggewischten hat dies irgendwelche Konsequenzen. Aufgrund der bestehenden Anonymität verspürt der Wegwischende keinerlei Schuldgefühl. Dem Weggewischten tut die Entscheidung ebenfalls nicht weh. Bei einem realen Treffen müsste ein Mensch seinem Gegenüber das Desinteresse irgendwie vermitteln. Das ist eine schwierige und unangenehme Situation. Das bleibt beim Onlinedating aus. Es erleichtert eine Absage deutlich.

Ist das dennoch unmoralisch?

Verlieren wir mit dem Wegwischen den Respekt vor den Menschen? Ist das unmoralisch? Man nimmt dem Weggewischten durch die schnelle Entscheidung jede Möglichkeit, den ersten Eindruck zu korrigieren. Er hat gar keine Möglichkeit, seinen wirklichen Charakter zu zeigen. Vielleicht ist er oder sie ein ganz anderer Mensch, als es das erste Bild vermittelte. Die inneren Werte sind enorm wichtig, behaupten viele Menschen, wenn es um die Partnerwahl geht. Doch seien wir einmal ganz ehrlich. Suchen wir nicht alle nach dem Ideal? Ist es falsch, nach der großen Liebe zu suchen und auf den berühmten Funken zu warten, der springen muss? Das Wischen erleichtert dieses lediglich. Springt überhaupt kein erster Funke, wird halt weggewischt. Das ist absolut nicht unmoralisch, sondern lediglich eine individuelle Entscheidung. Kommt es doch zu einem „Match“, muss zu einem gewissen Zeitpunkt ein tatsächliches Date stattfinden. Erst dort entscheidet sich alles Weitere. Ab diesem Zeitpunkt gelten die Regeln, die man aus den Jahrtausenden der Menschheit kennt. Das altbekannte Spiel beginnt von Neuem.

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