Mit einer Nervenkrankheit leben und trotzdem Spaß am Sex haben

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Mit einer Nervenkrankheit zu leben, bedeutet mit Einschränkungen umzugehen. Das betrifft das tägliche Leben – aber auch das Schlafzimmer. Muss der Alltag mit einer Nervenschädigung immer gleich Verzicht heißen? Mitnichten, nur kleine Kompromisse müssen Sie vielleicht machen.

Alltag mit einer Nervenschädigung – Was passiert im Bett?

Zittrige Hände, Sensibilitätsstörungen, unsicherer Gang – mit jedem Fortschreiten einer Nervenerkrankung in die verschiedenen Alltagsbereiche kommen auch neue Fragen auf. Nicht nur Ärzte beraten Sie, wie Sie am besten mit Ihrer Nervenkrankheit leben können. Auch einschlägige Ratgeber im Netz wie zum Beispiel hier geben vielfältige Hilfestellungen in Bezug auf den Umgang mit der Nervenkrankheit. Eine Frage trauen sich viele Betroffene allerdings nicht zu stellen: Was ist eigentlich mit dem Liebesleben?

Sex ist eine Kopfsache. Das gilt zum einen für Ihre psychische Bereitschaft zu Sex und die Fähigkeit, im Kopf einfach mal loszulassen. Aber auch körperliche Erregungsreaktionen beginnen hier, genauer gesagt in einer Fraktion des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Dieser verarbeitet Reize und sendet sie über Rückenbark und Pudendusnerv in den Genitalbereich.
Ist das Schaltzentrum oder die Leitung „nach unten“ geschädigt, macht sich das in verschiedensten Problemen bemerkbar. Viele Betroffene klagen beispielsweise über:

• Störung oder gar Verlust der Libido (sexuelle Lust)
• mangelnde oder komplett ausbleibende Erektionsfähigkeit
• verminderte oder fehlende Orgasmusfähigkeit
• Schmerzen beim Verkehr

Oft ist es tatsächlich der Alltag mit der Nervenschädigung, der durch das Fortschreiten die körperlichen Fähigkeiten einschränkt. Doch gerade wenn Patienten von ihrem Arzt mit diesem Thema allein gelassen werden, sind es auch psychische Faktoren. Die Belastung mit der Diagnose und den zunehmenden Einschränkungen schlagen auf die Seele – und die Sexualität leidet. Oft unterschätzt: Auch der Partner leidet mit. Insgesamt sinkt dadurch die empfundene Qualität beim Sex.

Mit einer Nervenkrankheit leben – das verändern die Erkrankungen

Patienten, die mit einer Nervenkrankheit leben, erfahren je nach Erkrankung unterschiedliche Beeinträchtigungen.

Sexualität mit Morbus Parkinson

Beim Morbus Parkinson entstehen durch einen Mangel des Botenstoffs Dopamin Störungen des Bewegungsablaufes mit dem typischen Zittern. Häufig schwindet ebenfalls die Lust auf Sex bei den Patienten. Aber auch das Gegenteil kann auftreten: Durch die bei Morbus Parkinson eingenommenen Medikamente ist ein gesteigertes sexuelles Verlangen, eine sogenannte Hypersexualität, als Nebenwirkung möglich.
Zum Alltag mit dieser Nervenschädigung zählen außerdem Störungen der Orgasmusfähigkeit sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Etwa 60 Prozent der betroffenen Männer klagen über mehr oder minder starke Erektionsstörungen. Frauen hingegen verlieren mitunter während des Aktes ungewollt Urin. Ein einfacher Tipp löst zumindest dieses unangenehme Problem: Vor dem Akt zur Toilette und Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen.

Sexualität mit Multipler Sklerose

Mit dieser Nervenkrankheit leben häufig schon jüngere Menschen. Hin und wieder wird die Erkrankung erst durch eine Störung sexueller Funktionen – und den damit verbundenen Gang zum Arzt – entdeckt. Frauen klagen dabei am häufigsten über Probleme, einen Orgasmus zu erreichen, während vier Fünftel der Männer, die bereits mehr als zehn Jahre von Multipler Sklerose betroffen sind, von Erektionsstörungen berichten.¹ Nicht selten sinkt auch die Libido – ein Problem, das manche MS-Medikamente noch verstärken können. Durch die Störung der Reizleitung aufgrund der angegriffenen Myelinschichten an den Nervenfasern können außerdem unangenehme Missempfindungen bei erotischer Stimulation auftreten.
Den erotischen Alltag mit der Nervenschädigung beeinträchtigen aber auch Symptome, die nicht direkt die Sexualorgane betreffen. Muskelschwäche, Schmerzen und Spastiken schränken die Beweglichkeit beim Sex ein, Depressionen oder das Fatigue-Syndrom schlagen oft deutlich auf die Libido.

Sexualität nach einem Schlaganfall

Jedes Jahr erleiden rund 250.000 Deutsche einen Schlaganfall.1 Der Alltag mit der daraus resultierenden Nervenschädigung muss sich dabei nicht unbedingt auf die Sexualität auswirken – tut es aber oft. Der sexuelle Appetit ist gelegentlich geschmälert. Männer klagen über Probleme mit der Erektion, Frauen haben Schwierigkeiten beim Feuchtwerden. So mancher Schlaganfallpatient hat außerdem Probleme, einen Orgasmus zu erreichen. Welche Einschränkungen bei der Sexualität und im Alltag mit der Nervenschädigung auftreten, ist jedoch sehr stark von der betroffenen Hirnregion abhängig.

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¹ Ärzte Zeitung online: Wenn Sex zur Nervensache wird. URL: https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/urologische-krankheiten/article/803975/wenn-sex-nervensache.html (06.02.2019).

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