Beiträge zum Thema: Die Tugend der Gelassenheit: nichts zu sehr wollen

 
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signorina
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Stress, Hektik, Konkurrenzdruck, Alltagsärger – viele Menschen leiden unter den Anforderungen des Lebens. Gerne wären sie ausgeglichen und ausgelassen. Doch wie wird man gelassen. Und was ist eigentlich GELASSENHEIT?

In dem Wort „Gelassenheit“ steckt das Verb „lassen“. Wir haben offensichtlich Schwierigkeiten, etwas zu lassen: Dinge, Menschen, Verhältnisse zu lassen, wie sie sind. Das menschliche Lebewesen versteht sich als „homo faber“ und damit als Macher, als aktiv Gestaltender, als Veränderer. Die Finger von etwas zu lassen oder eine Handlung zu unterlassen kommt dem Eingeständnis einer Niederlage oder Schwäche gleich.

Das Tun scheint ungleich höher zu rangieren als das Lassen, da es eine Veränderung bewirkt, und mit Veränderung wird ein Fortschritt zum Besseren hin assoziiert.

Doch irgendwann gehen einem die ständigen Verände-rungen auf die Nerven.

Ist nicht manchmal Empörung, Zorn, Kritik, Widerstand die angemessenere Reaktion?

Gelassenheit ohne Teilnehmung ist verwerflich, da Handeln unterlassen wird, wo wir etwas tun sollten. Man nennt dies auch Scheingelassenheit, Mangel an Mut und Zivilcourage.

Doch, um ERFOLGREICH eingreifen zu können, bedarf es wiederum Gelassenheit um die Situation ohne überschäumende Emotionen sachlich zu analysieren, die eigenen Kräfte richtig einzuschätzen und dann entschlossen zu handeln. Bei einer gelassenen Handlung sind Kopf, Herz und Hand gleichermaßen beteiligt.

Wie findet man in unserem heutigen Umfeld zu einer gelassenen Haltung?

LG

Signorina
 
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Orlanda
Orlanda
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Klar, Kirie, jetzt brauch ich nicht mehr ins Kissen schluchzen, sondern ich heul Euch was vor...

Orlanda
eher den Glückstränen zugeneigt...
 
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Orlanda
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Und schon gehts von der reinen Theorie in die pulsierende, lebendige Praxis:

Ich ziehe um, wie Ihr wißt... Hab es mir so schön ausgedacht: Jetzt soll es eine Zäsur geben und ich werfe mein tränendurchweichtes Bett raus, kaufe mir ein neues...
Auch einen neuen Kleiderschrank - schönes helles Holz... wunderbar!

Hab mich auch schon in Möbelhäusern (und IKEA!) umgeschaut und bin glückselig heimgetaumelt, wollte schon bestellen.
Aber da stehen ja noch die alten Möbel, die ungeliebten, herum..

Mein Vermieter wollte sich den Schrank anschauen und evtl. übernehmen... Wunderbar!

Gestern war er da, mit Freundin, und die meckerte herum, der Schrank gefiel ihr nicht. Ihm eigentlich schon, aber wenn eine Frau dabei ist, dann hat halt der Mann meistens nichts mehr zu sagen (obwohl es SEINE Wohnung wird!). Geschmackssache ist meist auch Frauensache.
Er wollte mir übermorgen Bescheid geben.

Teil 2: Das Bett. Das bot ich in Kurz&Fündig gegen Abholung "geschenkt" an. Ein schönes, großes Bett mit sehr guter Matraze. Makellos.
Aber nein, niemand will das Bett.
Heute rief jemand an, um dann nach 2 Stunden wieder abzusagen. Da dieser Mensch das Bett um 18 Uhr abholen wollte, begann ich alles freizuräumen. Entstaubte auch das Bett. Dabei fiel mir wieder auf, wie schade es doch eigentlich ist, so ein Bett einfach zu verschenken.

Alles läuft so gut bei diesem Umzug, nur die beiden Teile stellen sich sozusagen quer.

Warum, so dachte ich bei mir, nehme ich die beiden Teile nicht einfach mit? Ich erspare mir eine Menge Geld, der Umzug wird dadurch nur geringfügig teurer und die Montage des Schrankes übernimmt auch die Umzugsfirma.

Gesagt - getan. Es läuft nun wieder ganz easy...
Und ich fühle mich befreit.

Wieder ein Zeichen dafür, dass man manches plant, die Dinge sich aber manchmal anders entwickeln. Dann sollte man sich dem Fluss und seiner Strömung anvertrauen, anstatt kräftezehrende Schwimmbewegungen gegen den Strom zu machen...

Jetzt hab ich die Möbel geputzt und sie strahlen mich an, so als würden sie sich darüber freuen, dass sie mit "Frauchen" mít dürfen ins neue Domizil...!

Orlanda
immer noch im Glück
mit einem alten Schrank und einen alten Bett...
 
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Denn erst, wer sich beteiligt, kann beruhigt schlafen.

Ja, das ist es - beteiligen - , denn wir sind alle "Teilnehmer" irgendwie - nicht nur Beobachter.

Ein schönes Wochenende allen. Kirile
 
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Hallo,

ich glaube Gelassener wird man, wenn man ein Ziel hat und alles dafür tut um dieses zu erreichen. Weicht man davon ab, wird man unzufrieden und regt sich über sich selber auf. Wenn man aber weiß, dass man alles menschenmögliche für DAS ZIEL getan hat, dann kann man das Unmögliche eher annehmen und akzeptieren. Und wird gelassener. Daher denke ich ist das Tun für eine Sache so wichtig um sich Gelassenheit zu eigen zu machen. Ich denke da zum Beispiel an Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz usw. Denn erst, wer sich beteiligt, kann beruhigt schlafen.

Viele Grüße
patti
 
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Hallo Fixstern, ein wunderbarer Spruch, den ich aus längst vergangenen Tagen bei der Al-anon-gruppe kennen gelernt habe.
Er begleitet mich seit dieser Zeit, auch wenn sie schon Jahre hinter mir liegt. Leider fällt er mir manchmal ein wenig zu spät ein, wenn der Aktionismus schon hinter mir liegt, und es gilt sich mal erst wieder zu berappeln.
Und deine Anmerkung dazu - einfach schön - besser lässt es sich nicht ausdrücken.
In diesem Sinne: Weisheit, Mut, Gelassenheit, wo immer wir sie auch brauchen.........
 
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signorina
signorina
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„..nichts zu sehr wollen“ bedeutet, das angestrebte Erfolge / Verbesserungen nicht durch „Biegen und Brechen“, „möglichst schnell“, „Ungeduld“, „Überredungen“ u.ä. Verhaltensweisen erreicht werden. Und wenn doch, sind sie oft nicht dauerhaft und nachhaltig.

Wer stattdessen eine realistische Einschätzung seiner Ziele vornimmt und daraus eine entsprechende Vorgehensweise ableitet, weiß einfach, dass die Erreichung seiner Ziele nur eine Frage der Zeit ist.

Insofern hat die Einstellung von Merope, gleichgültig woraus abgeleitet, schon eine realen Hintergrund.

...“nichts zu sehr wollen“ bedeutet ja nicht, dass man „nichts will“, sondern auf eine ander Art und Weise aktiv bleibt.

Auch hier und bei ähnlichen Äußerungen gilt, nicht das einzelne Wort / Satz ist ausschlaggebend, sondern der „erkennbare“ Zusammenhang.

LG

Signorina
 
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Liebe Gundabella,
ich habe auch schon einen Zen-Lehrer auf die Palme gehen sehen :-))
Heilige sind wir alle nicht und wollen es auch nicht werden.
Vor allem sollte keiner glauben, dass Menschen, die sich in Gelassenheit bewusst üben, dumme Schafe sind - sie sind nämlich sehr wach im Alltag und vom bösen Wolf nicht einzufangen....:-)).

Nein, im Ernst, Gelassenheit soll dich ja nicht pflegeleichter sondern einfach zufriedener machen. Schaut doch die Asiaten an, sie wühlen nicht so im (meist vermeintlichen) Unglück wie wir Europäer, sondern nehmen zunächst einmal alles so, wie es ist.

Wer meint, dass er durch Kämpfen und Krampfen mehr erreicht und glücklicher wird, der soll's halt tun - ich lasse es auf mich zukommen und reagiere erst dann.

Schönen Tag
Merope
 
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Orlanda
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"NICHTS zu sehr wollen" ist zu simpel bzw. klingt nach Apathie (auch wenn es nicht so gemeint ist).

Ich halte es lieber mit dem alten Griechen Epiktet, der meinte, man soll nur das "wollen", über das man gebieten kann (nämlich über sich selbst), und andere Dinge, über die man nicht gebieten kann, sollte man möglichst loslassen.

Wir können von uns selbst fordern, von anderen Dingen/Menschen höchstens etwas erbitten oder auf den Zufall hoffen...

Orlanda
 
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Verstehen kann ich das gut, Gundulabella.
Gelassenheit bekommt man selten in die Wiege gelegt, sondern muss sie sich meistens "antrainieren". Oft ist dieses "Training" verbunden mit Schmerz (physisch oder psychisch). Um dem Schmerz zu entgehen, kann man sich einen anderen "Weg" suchen. Welcher Weg jeweils der richtige ist, dürfte von vielen unterschiedlichen Kriterien und von der Situation abhängen.

Auch dass es Dir besser geht, wenn Du Dir selbst erlaubst, ab und zu zu "explodieren", ist durchaus nachvollziehbar. Kann sogar sehr gesund sein. Man sagt ja auch, man soll "nicht alles in sich hineinfressen".

Vielleicht ist eine Kombination aus beiden Möglichkeiten, gezielt nebeneinander angewandt, der "Königsweg der Mitte"? Alles hat seine Zeit.
Zu wissen, dass eine Explosion die Luft reinigt, kann ebenso heilsam sein wie das Üben von Gelassenheit in Situationen, wo eine Explosion zur Implosion werden könnte.

emirena, Studentin der Selbstheiungswissenschaften
 
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Gelassenheit bedeutet auch:
Ausgeglichenheit - Zuversicht

Die Situation so annehmen, wie sie ist.
Ich denke an einen ganz normalen Alltag -
Gefahrensituationen erforden HANDLUNGSBEDARF - und das meistens sehr schnell.

Apathie: untätig,lustlos,teilnahmslos
oft bei Schülern zu sehen :-))

Den ganz normalen Alltag kann man aber meistens NICHT tatenlos überstehen . . .

Ich brauche Gelassenheit, wenn ich morgen wieder am Leverkusener Kreuz im Stau stehe :-/
In so einer Situation denke ich mir ein fettes,tiefes AAAUUUUMMMMM (OM) und dann geht es meistens wieder :-))

Jocki
 
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Im Sinne von "Erdulden" verstehe ich Gelassenheit ganz bestimmt NICHT, Signorina. Wie kommst Du denn darauf?

Gleichmut ist m.E. auch nicht das Gleiche wie Gleichgültigkeit, kann aber evtl. dazu führen, wenn die Aufmerksamkeit verloren geht.

Ich denke nicht dass Gelassenheit und Aufmerksamkeit/Konzentration ein Widerspruch sind.

Um dem Ganzen noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit hinzuzufügen, erinnere ich an die "stoische Ruhe"

emirena
 
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signorina
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Hallo Kirie,

die Erklärung bezieht sich nicht auf eine bestimmte Person, habe ich - (oder irre ich mich) - auch nicht erwähnt.

Wer sich aber diesen Schuh anziehen will, den hindere ich natürlich nicht daran, betrachte diesen Vorgang dann eher mit Humor und Gelassenheit.

LG

Signorina
 
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signorina
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Hallo Kirie,

"LG" heißt "Liebe Grüße" oder im Funkercode "73".

Der für Dich unverständliche Satz bedeutet, es ist leichter, aus der Ferne zu kritisieren und anzuprangern (manchmal auch in heftiger Sprache) als selbst zu handeln, um etwas zu verbessern.

Den Begriff "Pharisäergestus" hätte ich ja auch in "Wer weiß es" als Frage stellen können. Aber er gefiel mir hier an dieser Stelle.

LG

Signorina
 
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signorina
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Hallo Tolstoi,

es gibt mehrere Formen und Auslegungen der Gelassenheit.

Deine Darstellung erinnert mich eher an "Apathie".

Betrachtet man "Gelassenheit" als Lebensform, so laufen in ihr sämtliche Antriebskräfte zusammen und ermöglichen in einer übersichtlichen Urteilskraft eine richtige Entscheidung zur Handlung und damit auch zur Veränderung.

Mit der "unterlassenen Hilfeleistung" findest Du eine sicherlich treffende Bezeichnung für das "Nichthandeln". Aber was kommt denn häufiger vor, handeln oder nichthandeln (gaffen).

Dass die genannten (nur wenige Beispiele) Berufsgruppen auch Konzentration brauchen, ist unstrittig. Ist jemand nicht gelassen, steigt sein Blutdruck, Panik entsteht (siehe den Leibarzt von Michael Jackson), er wird im schlimmsten Fall handlungsunfähig oder trifft die falschen Entscheidungen. Entscheidungen sind nicht (immer) von der Konzentration abhängig.

LG

Signorina
 
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Hallo Miteinander,
interessantes Thema,
morgen mehr von mir - jetzt gehe ich gaaaanz gelassen in meine Meditaionsgruppe, obwohl mir die Rücken weh tut. :-))

Merope
 
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Hallo Signorina,
Deinem letzten Absatz muss ich energisch widersprechen,
denn das ist kein Gleichmut sondern der Strafbestand der
unterlassenen Hilfeleistung! Den Begriff Gleichmut sehe ich gar nicht so fürchterlich negativ, denn Gleichmut ist
auch eine Quelle der Kraft. Einiges über diesen Begriff
kann mann sicherlich aus dem Buddhismus erfahren, was
nicht heißen soll, dass ich in diesem Thema bin.
Bei den von Dir genannten Berufsgruppen ist weniger die
Gelassenheit, sondern ein hohes Maß an Konzentration
gefragt.
Dazu gehört natürlich auch die nötige Ruhe, die wohl
die Erfahrung und Routine mit sich bringt.
Gelassenheit ist: Dinge nicht verändern zu wollen, die
nicht zu ändern sind!
Es grüßt
Tolstoi
 
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signorina
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Hallo emirena, hallo Stobbs,

ich meine nicht die "Gelassenheit" im Sine von "Erdulden" in manchen Religionen. Ob dies beim Buddhismus angestrebt wird, kann uns sicherlich Merope genauer schildern.

Auch Gleichmut, Ignoranz und Arroganz meine ich nicht.

Was mir spontan dazu einfällt, ist z.B. die Gelassenheit der Feuerwehr und Polizei in Gefahrensituationen.

Auch bei den Medizinern ist, um erfolgreich therapieren zu können, "Ruhe und Gelassenheit" gefragt.

Da gibt es sicher noch viele Beispiele.

Mein gedanklicher Schwerpunkt liegt jedoch dort, wo jeder Einzelne gefordert wird. Geichgültig, ob es die eigenen Schwierigkeiten betrifft oder ob es in Hilfe, Unterstützung, Achtung usw. für einen anderen, auch eines Partners, getan werden kann.

Gleichmut erinnert mich an jemanden, der ausserhalb eines Gefahrenhorizontes z.B. ein Verbrechen mit Pharisäergestus anprangert, es durch tatkräftiges oder kluges Eingreifen jedoch hätte verhindern können.

LG

Signorina
 
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sehr gutes Thema, signorina!

Loslassen, Freilassen, Gelassenheit;
ich könnte mir vorstellen, dass dies Tugenden sind, die im Buddhismus angestrebt werden.

Und doch hat auch das Bewahren seine Berechtigung.

Alles zu seiner Zeit, an der richtigen Stelle.
Soweit die Theorie.

emirena

.
 
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signorina
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Die Gelassenheit wird auch als „Primärtugend“ bezeichnet.

Gelassenheit bewahrt den Menschen (ein Tier hat nicht die Möglichkeit von seiner Programmierung abzuweichen) davor, seine Kräfte für das Unmögliche zu verschleißen und seinen Blick für das Bestmögliche zu schärfen.

LG

Signorina

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