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Orlanda
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Teil 1:
Soziale Gerechtigkeit… - ist für mich ein merkwürdiger Begriff, denn nicht alles, was gerecht ist, ist auch sozial und umgekehrt: manche Ungerechtigkeit kann sozial sein – wenn z.B. jemand, der partout nicht arbeiten will, trotzdem von der Gemeinschaft ernährt wird. Und manches was Recht ist, kann auch unsozial sein.
Es gilt in meinen Augen eher: „Gleiches Recht für alle“ und „Jedem genug zum Überleben und Leben“…
„…Und wie war ich so reich damals, als ich arm war!..“
schreibt Peter Rosegger in seinen Erinnerungen an seine Jugend. Diese Sicht findet Rosegger aber erst in späteren Jahren, als er schon wohlhabend ist und in finanzieller Sicherheit lebt.
Seine Kindheit war geprägt von Armut und während seine Eltern den Weg aus der Armut nicht mehr fanden, gelang es dem jungen erwachsenen Rosegger mit der Unterstützung einflussreicher Freunde den Weg in ein materiell gesichertes Leben zu finden.
Der romantische Blick Roseggers von einer finanziell sicheren Basis auf die Armut ist vielen Menschen eigen, die nicht in Armut leben und die keinem materiellen Mangel ausgesetzt sind.
Wer keinen Mangel, keine Armut erleidet, wessen Grundbedürfnisse erfüllt sind, der setzt manchmal die Armut mit verklärter Bedürfnislosigkeit gleich.
Wer jedoch unfreiwillig arm ist, dessen Grundbedürfnisse nicht oder nur mangelhaft erfüllt sind, für den hat Armut kei-nen romantischen Glorienschein – für den bedeutet Armut Hoffnungslosigkeit, physischen Hunger, Trostlosigkeit und Lebensunsicherheit.
Wer in unfreiwilliger Armut lebt, steht mit dem Gesicht zur Wand, ohne Hoffnung auf Verbesserung der Situation.
Früher gab es viele arme Menschen, Familien, und meistens hatte man sich mit diesem Zustand abgefunden. Es gab keine Medien, die den Armen das andere Leben, wie es auch sein kann, vor Augen führten. Es gab Märchen, in denen das Gute immer siegte. Aber man wusste: Das sind Märchen. Man glaubte an Gott und an das christliche Versprechen, dass nach dem Tod die Belohnung käme für das erlittene Leid und Unrecht.
Heute lässt sich niemand mehr von all diesen schönen Traumbildern und Geschichten beeindrucken und trösten. Heute erfährt man durch die Medien, wie das Leben ohne Armut sein könnte. Und alles ist auf dieses ‚perfekte’ Leben zuge-schnitten. Wer heute arm ist, der befindet sich in einem Märchen, aber in einem, in dem nicht mehr das Gute siegt, sondern der Habgierige, der Reiche als Gewinner und Sieger davonkommt.
Es hängen im realen Märchen überall auf den Bäumen „gebratene Hühner“, aber sie hängen sehr hoch und ohne Leiter sind sie nicht zu erreichen. Wer arm ist hat keine Leiter.
Es gehen Rufer herum, die den Hungernden keine Leiter anbieten, sondern sie nur auffordern höher und noch höher zu springen: „Reiß Dich zusammen, dann schaffst Du es!“
Die Hungernden werden immer schwächer und immer trostloser, weil sie mit den vergeblichen Sprüngen auch noch die letzte Kraft und alle Hoffnung und allen Mut verlieren.
Mit einer Verarmung der Bevölkerung geht meist auch ein mentaler Wandel vor sich. Es wird kaum nutzen, ein paar Euro mehr an die Bedürftigen zu zahlen oder Gutscheine für die Erziehung und Bildung der Kinder zu verteilen. Wer für sich selbst alle Hoffnung verloren hat, glaubt nicht mehr an ein besseres Leben, nicht mehr an die Möglichkeiten einer Verbesserung der Lebensqualität und kann positive Sichtweisen und Kraft kaum oder gar nicht mehr an seine Kinder weitergeben.
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