Beiträge zum Thema: D. H. Lawrence und die Frauen

 
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Orlanda
Orlanda
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Damit wieder im Forum gelacht werden kann:

Aus dem Buch "Liebe, Sex und Emanzipation"

5. Kapitel

"Gib ihr eine Rolle

Der wahre Kummer mit den Frauen ist es eben, dass sie ewig versuchen, sich den Theorien der Männer über die Frau anzupassen - wie sie das von jeher getan haben.
Wenn eine Frau ganz und gar sie selber ist, dann ist sie so, wie ihr Typ Mann sie haben möchte.
Wenn eine Frau hysterisch ist, kommt es einfach daher, weil sie nicht weiß, welche Rolle sie zu spielen hat und gemäß welchem Ideal von Frau sie leben soll.

Denn wie es viele Männer in der Welt gibt, so gibt es natürlich auch viele Männertheorien darüber, wie die Frauen sein sollten. Aber ich meine zu Typen gewordene Männer, denn es ist nicht das Individuum, sondern der Typus, der die Theorie oder das 'Ideal' einer Frau ins Leben ruft.

Die alten Römer.... stellten eine Theorie oder ein weibliches Ideal auf, das sehr nett zur römischen Besitzgier paßte. "Cäsars Frau muss über allen Verdacht erhaben sein", deshalb begann Cäsars Frau liebenswürdigerweise darüber erhaben zu sein, einerlei wie tief Cäsar absank.

Spätere Herren wie Nero stellten die Theorie vom flotten Weibsbild auf... Dante erschien mit einer keuschen, unberührten Beatrice und eine keusche und unberührbare Beatrice begann eingebildet durch die Jahrhunderte zu mar.schieren....
Dickens erfand die Kindfrau und seither wimmelt es von Kindfrauen...."

.... Die wahre Tragödie besteht nun nicht darin, dass die Frauen eine Rolle verlangen und verlangen müssen. Die Tragödie besteht auch nicht darin, dass die Männer ihnen so abscheuliche Rollen zuweisen wie Kindfrauen, kleine Bubigesichter-Mädchen, perfekte Sekretärinnen, edle Gattinnen, sich aufopfernde Mütter, reine Frauen, die in jungfräulicher Kühle ein Kind nach dem anderen produzieren, oder Prostituierte, die sich dem Mann zuliebe erniedrigen - all die gräßlichen Rollen, die den Frauen von den Männern aufgedrängt werden, Rollen, die den ganzen natürlichen und echten Reichtum eines menschlichen Wesens verzerren.

Der Mann ist willens, die Frau als seinesgleichen zu akzeptieren, als einen Mann in Weiberröcken, als einen Engel, einen Teufel, ein Babygesicht, als eine Maschine, ein Werkzeug, einen Busen, eine Gebärmutter, ein Paar Beine, eine Dienerin, eine Enzyklopädie, als eine Idealgestalt oder eine Obszönität - nur als eins will er sie nicht akzeptieren: als ein menschliches Wesen weiblichen Geschlechtes.

Und die Frauen lieben es natürlich, seltsame Rollen zu übernehmen, gruselige Rollen, je makabrer, umso besser...

Die moderne Frau ist im Grunde nicht dumm. Aber der moderne Mann ist es. Das scheint mir die einzig einleuchtende Erklärung zu sein. Der moderne Mann ist dumm und der moderne junge Mann ist ein ausgemachter Esel. Er richtet unter seinen Frauen ein größeres Schlamassel an, als es die Männer vor ihm je getan haben, weil er einfach nicht weiß, wie er sie haben möchte.

.... Die Frauen sind nicht dumm, aber sie müssen irgendeinem Ideal entsprechend leben. Sie wissen, dass die Männer dumm sind. Im Grunde respektieren sie deren Ideal gar nicht. Doch sie müssen einem Ideal nachleben, sonst könnten sie nicht existieren.

Die Frauen sind nicht dumm. Sie haben ihre eigene Logik, auch wenn es nicht die Logik der Männer ist. Frauen haben eine gefühlsbetonte Logik, und die Männer haben die verstandesmäßige Logik. Die beiden ergänzen einander und bilden meistens einen Gegensatz.

Doch die gefühlsmäßige Logik der Frau ist nicht weniger echt und unerbittlich als die verstandesmäßige Logik des Mannes. Sie wirkt sich nur auf andere Art aus.

Und die Frau verliert eigentlich ihre Logik niemals. Sie mag Jahre damit verbringen, einem männlichen Frauenideal nachzuleben. Doch am Ende wird die seltsame und schreckliche Logik des Gefühls ein Zerschmettern des Ideals bewirken, falls es gefühlsmäßig nicht befriedigte.
Das ist die Teilerklärung der erstaunlichen Veränderungen bei Frauen. Jahrelang fahren sie fort, keusche Beatricen oder Kindfrauen zu sein. Dann plötzlich: päng!! Die keusche Beatrice wird zur brüllenden Löwin. Die Rolle hat gefühlsmäßig nicht genügt. (Der Mann hat es erkannt!Anm.Orlanda)

Die Männer sind dumm. Sie stützen sich auf eine Logik des Verstandes, oder sie sollten es wenigstens. Und dann fangen sie an - besonders im Hinblick auf die Frauen -, sich mit mehr als weiblicher Unvernunft zu benehmen. Sie verwenden viele Jahre darauf, den kleinen Bubi-Babygesicht-Typus heranzubilden, bis er tadellos gelungen ist. Dann, im Augenblick, wo sie heiraten, wollen sie etwas ganz anderes.
Oh, nehmt euch bloß in acht, ihr Damen, vor jungen Männern,, die euch anbeten! Im Moment, wo sie das kleine Bubi-Babygesicht heiraten, beginnen sie sich sofort nach der edlen, der reinen und majestätischen Agnes zu sehnen oder nach der makabren Prostituierten mit den schwarzseidenen Betttüchern, oder, was am verrücktesten ist, nach einer Verschmelzung der ganzen Bande zu einem einzigen Typ!

Und das ist die Logik des Verstandes. Wenn es um die Frauen geht, sind die modernen Männer verblödet. Sie wissen nicht, was sie wollen, und deshalb wollen sie auf die Dauer nie, was sie bekommen.
Sie wollen eine Sahnetorte, die gleichzeitig Schinken mit Rührei und gleichzeitig Haferbrei ist...
Wenn die Frauen nur nicht durch das Schicksal dazu bestimmt wären, sich ihnen anzupassen....."


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Nun, das war 1930...
und wir haben heute 2011..
Die Gnade der späten Geburt - wenn auch nicht auf alles bezogen....

Orlanda
(... HIGHLY AMUSED....!!!)
 
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Ach herrlich - und soooo wahr! (Auch heute noch)

Merope, die Unangepasste und deshalb wohl Ledige :-))))

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