Antwort auf: "Rückschlüsse - von Kommunikation im Forum auf Kommunikation in Beziehung"
Hallo Wilber
Kommunikation kann gelingen, wenn der Stil in einem Forum höflich und die verbalen Beiträge beim Thema bleiben. Es kann jedoch passieren, dass sich jemand auf ein Stichwort hin dennoch in ein Forum einkklinkt, welches nach soundsovielen Kommentaren sich vom eigentlichen Thema weit entfernt hat, weil, wie Sie schreiben, das Thema oder die Fragestellung nicht mehr erkennbar waren, es sei denn, man las 200 oder mehr Kommentare retour, um feststellen zu können, an welchem Punkt die Kommentatoren vom Thema abgedriftet sind (das habe ich aus Neugier schon gemacht, es war nervig). Wenn die Forumsdynamik sich dahingehend entwickelt, dass das Thema bald verlorengeht, dass man oberflächlich wird oder sich eine Handvoll Leute, die sich auf diesem Portal lange zu kennen scheinen und nur noch rein Privates miteinander austauschen, fühle ich mich irgendwie nicht berechtigt, deren Privat-Dialoge zu unterbrechen und es frustriert mich und ich klinke mich rasch aus. Vielleicht fühle ich mich ja auch einfach nur frustriert, weil mir die Rückführung zum Thema nicht gelingt oder es nicht tiefgehend genug diskutiert wurde oder ich fühle mich schlicht aus dieser Themengruppe ausgeschlossen? Ich lerne dabei auch mich selber kennen, frage mich hinterher schon auch, warum in mir dabei eine Lust oder eine Unlust über den Schreibstil und evtl. auch (Un-)Sinnhaftigkeit der Beiträge oder gar Frust über das eigentliche Thema entstanden ist beim Lesen und dieser Blick hinter die eigenen Kulissen kann weh tun und gut tun, wobei die zweitgenannte Empfindung meistens einige Zeit später erst sich zeigt...
Sprache allein nimmt in Foren deshalb eine solch bedeutende Stellung ein (m. M. nach) als Mittel zur Kommunikaton, weil sie der einzige Hinweis auf eine Person bleibt, da es ohne persönlichen Kontakt sowohl an Gestik und Mimik fehlt (Handhaltung, Lachen, Weinen, Freude, Angst), am Ausdruck der Stimme, an positiver oder negativer Zuwendung (Blickkontakt, Berühren) als auch der eingenommenen Körperhaltung und dem visuellen Erscheinungsbild und somit nicht mit all unseren Sinnen (Geruch z. B.) einschätzbar sind für uns. Insofern ein Mangel, denn ohne diese individuellen "Zutaten", die uns erlauben, uns ein Gesamtbild zu machen, um einen Bezug zur jeweiligen Person herstellen zu können, wie wir es im Alltag im Umgang mit Menschen erleben, fehlt etwas Entscheidendes. Vermutlich spielt es auch eine Rolle, dass wir in den meisten Portalen / Foren uns vorstellen mit einem 'nick', statt dass wir unseren Namen angeben, was infolge auch etwas mit uns macht, nämlich, dass wir uns freiwillig zu einem 'NoName' haben machen (lassen). Hinzu kommt, dass der Status und Habitus zumeist nicht preisgegeben wird öffentlich, das mag sich zwar positiv anfühlen, ist der Einschätzung durch die Anderen jedoch nicht dienlich.
Natürlich rufen 'verbale Entgleisungen' Unmut hervor im Leser, ebenso abstoßend sind plumpe Anmache (ich kenne es nur von Mann zu Frau) und: alle Narzißten ohne Selbstreflektion, verächtliche und verunglimpfende Kommentare, Gossensprache sowieso, Zurechtweisungen der Besserwisser, am Thema desinteressierte Selbstgefälligkeits-Langweiler, apodiktische Meinungsmacher, humorlose, negative Stimmungsmacher und jede Reaktion, die den Diskussionsverlauf hemmt oder stört. Es tummeln sich in jedem Forum, auf jeder Plattform solche Charaktere, die zwar eine kognitive Empathie haben und ihnen bewußt ist, wie (mies) sie mit anderen umgehen, es ihnen jedoch an emotioneller Empathie mangelt und sie nicht mitfühlen läßt, was sie gerade angerichtet haben und warum man irritiert ist und sich von ihnen abwendet. Demgegenüber gibt es Leute, die in Foren meine Sprache zu sprechen scheinen, sprich, deren Sprache mich einfach 'anspricht': Objektivität, Reflektionsvermögen, Humor, Interesse, Inspiration... da lasse ich mich gerne darauf ein, lasse ich mich zeitlich gerne auch mehr als vorgesehen vereinnahmen.
Dennoch: Rückschlüsse auf Personen aufgrund des Schreibens / Schreibstiles zu ziehen, halte ich für fragwürdig, zumindest dahingehend, sich vorzustellen, dass es sich in deren persönlichen und familiären Beziehungen, in deren direktem Umfeld und / oder sogar deren (bestehenden / künftigen) privaten Zweier-Beziehung genauso verhalten könnte. Denn es kann mir jemandes 'Schreibe' vorwiegend defizitorientiert vorkommen und ich denke für mich, ach, Mut-Machen wäre an dieser Stelle hilfreicher gewesen für denjenigen, jedoch muss das nicht zwingend heißen, dass dieser 'Schreiberling' grundsätzlich gerne schulmeisterich daherkommt und an seinem(r) PartnerIn ewig herumnörgelt, sondern dass er in bester Absicht auf eine mögliche Fehleinschätzung hingewiesen hat, weil er sich durch einen hilfesuchenden Post dazu animiert fühlte, lösungsweisend zu antworten oder weil er den Impuls durch einen ähnlich gearteten Beitrag bekam und sich verbal in Bewegung setzte, um jemandem bei seinem Problem unterstützende Hilfeleistung zu geben. Die Absicht zählt, diese hinter einer vermeintlichen schulmeisterlichen Art ohne negative Bewertung zu sehen, das ist nicht so einfach.
Bei Forenthemen ist es angenehm, nicht so viel lesen zu müssen, da gefällt es mir, wenn Leute über sich selber lachen können und ja, da gehe ich davon aus, dass sie Lebenshumor haben. Dennoch spüre ich kein Verlangen, so jemanden gleich näher kennenlernen zu wollen. In Foren-Gesprächen gilt eine andere Ebene der Kommunikation als im Einzelkontakt, denn irgendwelche Beitrage oder kurze comments von Forenmitgliedern, so langweilig oder interessant sie auch sein mögen für mich, lassen mich (wenn überhaupt) eher geschäftsmäßig antworten, dass ich die Umgangsregeln einhalte und mir bewußt ist, dass meine Meinung für jeden lesbar ist und ich Gegenwind wie Zustimmung mit einbeziehen muss, also von vornherein eine Art Warnsystem im Hinterkopf eingeschaltet ist, was den Textinhalt bestimmt beeinflußt, da ich ja (je nachdem) höflich bleiben möchte. Auch ist es von Bedeutung, in welcher Stimmung ich mich aktuell befinde, was ich ja nicht mit kommuniziere und so kann es vorkommen, dass mein Beitrag andere im Forum als destruktiv oder als mißmutig wahrnehmen... ich habe es mir angewöhnt, solche mißfälligen Posts lediglich zur Kenntnis zu nehmen als Ausdruck des Mißfallens über etwas und aus irgendeinem Grund, den ich weder kennen kann, noch aufspüren möchte, weil es mich nicht persönlich betrifft, auch wenn ich mit angesprochen werde als Diskussionsteilnehmer.
Mein Interesse an Beiträgen nährt sich aus solchen Themen, Situationen, Ereignissen und Beschreibungen, die mich mental berühren und zum Nachdenken anregen, die mich vielleicht endlich wachrütteln, weil ich mich derzeit in ähnlichen Verhältnissen befindend wiedererkenne.
Ich orientiere mich hauptsächlich an den Themen, an meinem temporären Interesse, interessiere mich für Erkenntnisse und Erfahrungen anderer Menschen, die ein Lebensthema bereits verdaut haben und davon berichten, wie auch immer geartet. Ich ziehe daraus nur das, was mir nützlich erscheint und sehe über den Sprachgebrauch hinweg. Insofern komme ich gar nicht auf die Idee, die charakterliche Grundhaltung zu erspüren, solang ich kein akutes Verlangen verspüre, näher mit dieser Person in Kontakt treten zu wollen. Es gilt mein näheres Interesse erst dann einer bestimmten Person, wenn ich das Gefühl habe, dass das vorhandene Konterfei mit deren Themen und deren Gebrauch von Worten harmonisch ist und mir nicht manipulativ oder verfälscht erscheint und mir darum sympatisch ist (doch irren ist menschlich...). Auch wenn ich bei weiterführendem Gesprächsverlauf (auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit) erkennen kann, wie jemand mit seinen Stimmungen umzugehen versteht, ist mir angenehm, außerdem eine natürliche Bescheidenheit statt frechforsches Auftreten und je nachdem auch eine Zurückhaltung statt offenherzige Anzüglichkeit beim allerersten persönlichen Ansprechen. Weiterführende Überlegungen stelle ich jedoch nicht an, da sich dies zu hypothetischen Gedankenspiralen verdrehen kann. Selbstverständlich runzelt sich meine Stirn hier und da und ich möchte mir lieber nicht vorstellen, wie unangenehm sich so jemand im Beisein des Partner zuhause verbal verhält. Und gewisse Leute, die immer zu Allem ihre fachmännischen Statements abgeben, wie es jemand besser wissen müßte oder besser machen könnte, die mögen im Stillen Kämmerlein ganz bescheidene Gedanken haben oder tatsächlich für alles eine super Idee und auch ungefragt wie kumpelhaft zur Tat schreiten, weil sie sehr aufmerksam sind und sehen, wo "Not am Manne" ist. Will sagen, dass es letztlich auf die Taten ankommt, nicht so sehr auf das Sprechen. (Übrigens: Meine Mutter sagte zu mir früher öfters: "Taten will ich sehen!"... als Kind habe ich vermutlich mehr versprochen, als ich dann Lust hatte, zur Tat zu schreiten :-))
Habe mich durch Ihren Artikel inspiriert gefühlt, meine Gedanken dazu (lose) wiederzugeben, ein dialektischer Besinnungsaufsatz soll es nicht sein, da ich dessen formale Vorgaben wahrscheinlich außer Acht gelassen habe... ist ja auch lange lange her...
Last but not least: <> Darauf weiß ich nichts zu sagen als: Es gehören immer Zwei dazu, zum Streiten, wie zum Kuscheln und man wird es herausfinden mit der Zeit, ob sich die Beziehung vertieft, vertraut wird oder an der Oberflächle bleibt. Habe diesen letzten Absatz nicht so recht verstanden. Und der Satz <> stimmt und stimmt nicht, aber schmunzelnd sage ich: das ist ein eigenes Thema... Mich würde z. B. auch interessieren, darüber mehr zu erfahren, was genau damit gemeint ist mit dem Spruch: "Getrennt von Tisch und Bett", welche Bedeutung das heutzutage noch hat, wo kaum noch Zeit bei Tisch mit Miteinander-Reden verbracht wird und nonchalant in fremden Betten geschlafen wird trotz Verheiratetsein. Dieser Gedanke kam mir während des Antwortens...