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Orlanda
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Gerade wenn ich so sehr in der Gegenwart bin, in der Realität, und mit Menschen meines Alters zu tun habe, fällt mir ein, wie weit weg doch die Leichtigkeit des Lebens ist. Die Gespräche die geführt werden, drehen sich um das Heute bzw. vorallem um all die heutigen Probleme: Um die Weltwirtschaft, Krankheiten + Gesundheitssystem, und darum, dass das meiste sich zum Negativen verändert hat. Sogar das Wetter... zu kalt, zu nass, zu trocken, zu...
Als ich dann später in meinem PC nach Musik suche, stoße ich auf ABBA und auf den Soundtrack von MAMA MIA... Die Musik umhüllt mich wie eine rosa Wolke. Da werden GEfühle wach... Wenn damals etwas nicht gut war, so schob ich es in die Zukunft, die mit Sicherheit alle Probleme lösen würde.
Mir kommen Menschen ins Bewußtsein, mit denen das Zusammensein viel Spaß machte. Unbeschwertheit, Albernsein, es gab noch keine Krankheiten, die besprochen werden mußten und auch die Weltwirtschaft berührte nur am Rande. Und das Wetter war kein Problem - wir schwammen auch bei Regen im See...
Es gab in dieser meiner damaligen Welt noch kein globales Desaster und auch viele andere noch nicht.
Das Problem ist, dass man (ich!) in der einen Welt lebt und fixiert ist, aus der es offenbar kein Entkommen mehr geben wird.
Probleme aller Art gab es früher auch schon, aber ein rosa Schleier erhellte die Sicht.
Heute, in älteren Jahren, ist der Schleier eher grau und die meisten Menschen, die man trifft, umhüllt ebenfalls ein grauer Schleier. Auch jene, die zuversichtlich lächeln und alles Böse verneinen. Denn ihre optimistische Sicht vertreibt nicht das Mißtrauen, das sich viele ältere Menschen, und auch ich, im Laufe der Jahre einverleibt haben. Erfahrungen? Angst vor der Zukunft, dem Lebensende? Wer weiß? Hinter dem Optimismus älterer Menschen steht vermutlich nicht mehr die Unbekümmertheit der Jugend...
Heute beim Friseur umlullt mich Quadro Nuovo und ich lasse mich fallen, das Leben ist schön!
Da erscheint ein alter Herr und während ihm die Friseurin die wenigen, noch verbliebenen weißen Haare schneidet, erzählt er von einem grauenhaften Unfall, der sich gestern in der Nähe zugetragen hat. Ein uralter Mann und seine Frau fuhren mit dem Auto, er hat überholt und fuhr schnurstracks in einen LKW. Beide tot, der LKW-Fahrer verletzt. Was wäre gewesen, wäre ein PKW entgegen gekommen...?
Das Thema wird laut und ausgiebig besprochen. Nein, kein Entkommen! Solche Themen ziehen offenbar an und wo, wenn nicht beim Friseur kann man sein Herz erleichtern..?
Wie stark ist MEIN Optimismus? Er und meine gute Stimmung fallen zusammen wie ein zu früh aus dem Backofen genommenes, halbgares Soufflè.
Klar, alte Leute saugen offensichtlich alles Negative lustvoll auf.
Ich auch.
Beim Friseur, ein Hort der Erholung und der Wellness, wabbert nun der graue Schleier, verdunkelt sich...
Jetzt daheim beim Bügeln läuft MAMA MIA und ich höre die "Dancing Queen" - Flucht nach hinten, denn vorne ist nichts als grauer Schleier, Trübsal... Erwachsenenwelt.
Das Licht im Alter sind Kinder - sie führen uns ältere Menschen geistig in ihre Welt, die noch voll Fragen ist. Das Lebensgefühl von damals liegt im Herzen eines Kindes.
Und wenn mein Enkel fragt: Oma, bist Du alt? - mußt Du jetzt sterben? Dann muss ich darüber herzlich lachen und ich versichere ihm, dass ich dazu noch lange keine Lust habe! Nein, wirklich nicht.
Er ist zufrieden und hält mir Shaun das Schaf ins Gesicht... "Oma, der Shaun ist nicht brav - der stellt gleich was an!"
Ja, bitte.. !
Orlanda