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Orlanda
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Beim Frühstück fiel mir wieder Herr Gauck ein und die mit verbundene Diskussion um seine Fähigkeit zum Präsidenten.
Mir gefiel wie er über die Menschen der neuen Bundesländer sprach und zur Situation damals wie heute (in Merlin's Link).
Ich verstehe sehr gut, wie es ist, 40 Jahre in der Diktatur zu leben, sich zu befreien, Hoffnung und Träume zu haben zu einem besseren Leben in Freiheit; und ich verstehe auch die Verbitterung und Enttäuschung, wenn all das ausbleibt, weil man aus sich heraus vieles nicht verwirklichen kann, weil aber auch die Bedingungen nicht erfüllbar sind.
Abgesehen davon, dass ich eine starke Hingezogenheit habe zum Osten Deutschlands (weiß aber nicht warum), ich gerne mit den Menschen dort kommuniziere (hab beruflich damit zu tun) und ihre Sprache gerne höre, glaube ich, dass meine Lebenserfahrung, wenn auch auf privatem Gebiet eine ähnliche ist, wie jener der Menschen in den neuen Bundesländern.
Auch ich habe 40 Jahre in einer Art Dikatur (der Mutter) gelebt, in der das Stillhalten Vorschrift und überlebenswichtig war, in der denunziert wurde (Schwester) und auch ich habe, vorallem ab dem 21. Lebensjahr, versucht, möglichst angepaßt zu leben, "brav" zu sein.
20 Jahre später war damit Schluss und ich brach aus. Auch ich hatte Hoffnungen und Träume, die sich nicht erfüllten, stellte aber fest, dass großteils ich selbst es war und bin, die Freiheit nicht leben kann, weil ich es nicht gelernt habe.
Vielleicht berührt mich deshalb so sehr, was Herr Gauck sagte. Mich berührt auch, WIE er sprach, und ich denke, jemand, der so reflektiert und glaubhaft spricht, kann nicht der Falsche sein für dieses Amt, das ihn erwartet.
Wenn er für den einen oder anderen Menschen "ins Fettnäpfchen" getreten sein mag oder falsche Dinge gesagt hat, so möge derjenige, der ihm das vorwirft, vielleicht auch erst in sich gehen und sich fragen, weshalb ihm das so nahe geht. Meistens sind wir es ja selbst, die wir die Worte unserer Nächsten mißverstehen, weil wir in uns eine Verletzung tragen, die uns aufbringt gegen das Gesagte.
Nun aber radle ich in die Stadt und genieße die Sonne und wünsche Euch allen auch ein Lebensgefühl, dass über alle gegenwärtigen Probleme und Schmerzen hinwegführt...
Und: "Es wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird...."
Orlanda