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Orlanda
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Gut ausgeschlafen fuhr ich frühmorgens, nach einem ausgiebigen Frühstück, mit der Zahnradbahn auf den Wendelstein.
Oben angekommen, führte mich mein erster Weg in die Wendelstein-Höhle. Entgegen meinen Befürchtungen war es am Eingang ruhig und ich fand mich alleine in der Höhle. Das war das vollkommene Höhlengefühl! Geborgenheit und Ruhe! In der Höhle befanden sich Bildschirme, die alles mögliche erklärten, die psychologische Wirkung einer Höhle auf den Menschen wie auch die Themen Geologie, Biologie und Mythos.
Während ich im „Bauch des Wendelsteins“ herumgestiegen war, hatte sich das Wetter verschlechtert und unten in den Tälern wabberte nun eine dicke Nebel-/Wolkenschicht herum. Der Gipfel war schnell über viele Treppen erstiegen. Während des Aufstiegs gab es immer wieder Löcher in der Wolkenschicht, durch die man einen Blick nach unten werfen konnte. Überall aus den Felsritzen am Weg lugten Blumen hervor, manche bildeten dicke Kissen.
Lange hielt ich es auf der Plattform am Gipfel nicht aus, obwohl sich hier oben ein herrliches Sonne-Wolkenspiel beobachten ließ.
Unten am Kirchlein rief die Glocke zur Messe, mir aber war eher nach einer Einkehr in die Gaststätte als in eine "innere Einkehr" zumute.
Hat mich der Liebe Gott für mein profanes Denken bestraft? Die Gaststätte war wegen einer geschlossenen Veranstaltung (Brunch mit Voranmeldung!) zu. Für das in der Selbstbedienung angebotene Essen hatte ich keinen Appetit und so begab ich mich auf den Weg nach unten zu den Almen.
Es ging bergab über Schotterriesen und über Gesteinsbrocken; unterwegs traf ich im Geröll „gestrandete“, verängstigte Nordmenschen und erreichte schließlich die Reindleralm.
Die Kalbinnen begrüßten mich mit aufgeregtem Muhen und ich unterließ nur aus Rücksicht auf die Sennerin meinen altbewährten Sennerinnen-Ruf.
Es gab eine leckere Alm-Brotzeit und Apfelschorle.
Der Wendelstein schickte dunkles Gewölk herunter auf die Alm - der alte Grantler! Wie gut unter dem Vordach der Hütte zu sitzen, dachte ich mir und wünschte für den Moment, dass die Zeit stehen bliebe („Geh weida, Zeit, bleib steh’!“ – der Spruch und Buchtitel von Helmut Zöpfl fiel mir ein…)
Als sich die Wolken wieder verkrümelt hatten, zog ich weiter zur Mitteralm, um von dort mit der Zahnradbahn zur Talstation zu fahren. Aus dem steinigen Bergsteig war nun ein befahrbarer Almweg geworden und nach einer markierten Abzweigung stand ich im Morast. Am Berg gibt es nur ein weiter oder zurück – mich lockten Kaffee und Kuchen und so stapfte ich tapfer weiter.
Auf der Mitteralm bekam ich den erträumten Kaffee und Erdbeerkuchen und nachdem ich alles verschlungen hatte, kam auch schon die Bahn.
Inzwischen hatte sich der Wendelstein wieder völlig eingehüllt - diesmal in Weiß und Grau...
Dann hieß es „pfüati God" zu sagen zum Land um den Wendelstein und nach zweieinhalb Stunden Fahrt war ich wieder daheim.
Es braucht wieder ein paar Tage, bis ich den Berg aus meinem Kopf und Gefühl raus hab. Noch sind die Stimmen der Dohlen im Ohr, spür ich den Bergwind und höre meinen Schritt im Geröll.
Beim nächsten Mal ist’s ein anderer Berg, wahrscheinlich einer, von dem aus ich den Wendelstein zuwinken kann.
Orlanda