Beitrag aus Archiv
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Mehr haben, als man braucht, als man ver-brauchen kann? Welchen Sinn hat das?
Ein Mann, den ich vor drei Jahrzehnten kennenlernte, hatte nach dem Krieg für wenig Geld ein paar Apparate und einen alten Holzschuppen von den amerikanischen Besatzungsmächten gekauft. Als Doktor der Chemie begann er Zahn- und Schuhputzcreme und Waschmittel zu erzeugen. Die Zahncreme stellte sich als giftig heraus und Hemden, die mit dem Waschmittel gewaschen wurden, bekamen kleine Löcher... Trotz dieser Anfangspannen wurde seine Unternehmung aber sehr erfolgreich. Er starb am Anfang dieses Jahres als uralter Mann mit fast 100 Jahren und hinterließ seinen Nachkommen mehrere Millionen Euro. Verteilt auf viele Banken in Mitteleuropa. Leider hatte er keine Erben, die sein Unternehmen weitergeführt hätten...
Er war durch Arbeit, gute Ideen und kluges Wirtschaften reich geworden. War in den vorletzten beiden Jahrzehnten seines Lebens vorallem damit beschäftigt, sein Geld zu sichern, Aktienkurse im Auge zu behalten, ehe er dann mit 90 ins große Vergessen abtriftete....
Wenn ich mir zum Vergleich meine Großmutter hernehme, die mit 52 ihren Mann verlor, eine sehr geringe Rente hatte und sich bis fast 70 mit kleinen Nebenjobs diese Rente ein wenig aufbesserte, so sehe ich keinen Vorteil im Leben des reichen Mannes. Meine Großmutter genügte sich mit dem, was sie hatte und sie hatte immer ein wenig auch für uns Kinder übrig. Sie mußte sich nicht sorgen, dass wir auf ihr Erbe warten würden...
Sie genoß die Zeit, wanderte viel, pflegte ihren Garten und freute sich darüber, wenn die Gartenfrüchte besonders gut gediehen waren. Oft kam sie im Herbst mit einer riesigen Tasche voll Pilzen zu uns - Pilze, die andere Leute teuer kaufen mußten.
Wenige Tage vor ihrem Tod bezeichnete sie ihr Leben, das in der Kindheit und Jugend voll von Entbehrungen gewesen war, als gut und schön und sie war dankbar, für das, was sie gehabt hatte.
Ich möchte auch nicht das alles haben, was andere, sogenannte reiche Menschen haben. Besitz ist meistens nur Bürde und selten wirkliche Sicherheit. Wir verkaufen unser Leben an die materiellen Dinge, lasse uns davon zu vielen Dingen zwingen, die wir eigentlich nicht möchten und ohne die wir auch glücklich wären.
Je älter ich werde, umso mehr sehe ich, wie nutzlos eigentlich alles ist, was wir um uns herum anhäufen. Schon Thoreau wunderte sich über die Bauern, die nur dafür arbeiten und ihre Zeit opfern, um teuren Schwarz-Tee trinken zu können, wo doch die Wiesen voll sind von Pflanzen, aus denen man auch Tee bereiten kann!
Dies ist für mich eine der interessantesten Methaphern für die Sinnlosigkeit unseres Tuns, wenn es über das notwendige Maß hinaus geht, um REICH zu werden ...
Orlanda