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Orlanda
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Das Buch ist zu Ende gelesen und das Jahr läuft aus. Der Leser weiß um das, was mit dem Glockenschlag, der das Jahr 1914 einläutete, seinen Lauf nahm. Die Menschen waren voll Hoffnung und voll Angst, manche geplagt von unheimlichen Zukunftsvisionen, andere schwelgten in einer kaum nachvollziehbaren Unbekümmertheit.
Und für so viele war es das letzte Silvesterfest, das sie feiern konnten.
Als Leser gerät man auch in einen ähnlichen Zustand, wie ihn die Menschen damals lebten. Im Buch werden immer wieder Geschehnisse, Aussprüche, Merkwürdigkeiten geschildert, die heiter stimmen, und doch durchzieht alles ein dunkles Band. Nicht nur das Wissen um das, was nach 1913 in die Welt brach, sondern auch das Unterschwellige, das Bedrohliche zeigt sich deutlich. Aber heute wie damals geht man darüber hinweg, verscheucht ungute Ahnungen und hält sich an das, was froh und heiter stimmt.
In manchem wird man beim Lesen an das Heute 100 Jahre später erinnert. Bedrohlichkeiten wurden damals und werden auch heute nicht ernst genommen. Aggressionen, Säbelrasseln in entfernten Ländern nimmt man nur am Rande wahr.
Gebettet in gute, wenn auch manchmal unrealistische Zukunftsvisionen verschläft der Bürger alle Möglichkeiten, das schlimmste zu verhindern.
Doch wer weiß schon, was wirklich geschehen wird...?
Heute bedrohen uns vorallem Umweltzerstörungen und die Manipulationen jener, die Macht und zuviel Geld besitzen. Weniger denn je sind die Machenschaften und Verwicklungen zu durchschauen. Betraf es 1913 in erster Linie noch Europa, so betrifft es heute die ganze Welt und weniger denn je erscheint es mir, dass Korrekturen noch möglich sein werden. Und mehr denn je wird klar, dass es keine wirklichen Sieger geben wird, wenn es zur Eskalation käme.
Trübe Aussichten, trübe Gedanken. Es geht aber weiter und so ziehe ich meinen Geist wieder zusammen in jene Bereiche, die selbst gestaltbar sind. Wir können zum Glück selbst entscheiden zwischen der Enge und der Weite unseres Denkens.
Harmonie liegt in der Mitte, im Unspektakulären und Gewohnten.
Und so beginnt ein gewöhnlicher Samstag mit all den Verrichtungen und Lustbarkeiten eines arbeitsfreien Tages...
Auch das Wetter verhält sich so, nicht warm, nicht kalt, ein wenig Sonne, ein wenig Wolken.. nicht Fisch, nicht Fleisch. Und es ist immer gut, einen Schirm in der Tasche zu haben....
Orlanda