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Orlanda
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"Gutmenschen" im negativem Sinne gibt es überall, auch in der Firma.
Das sind z.B. auch die Frauen, die Zeitpläne für die Teeküche entwerfen, aufhängen und darauf achten, dass alle - vorallem die Frauen! - sich daran beteiligen!
Männer, so meine Erfahrung, waschen ihre Tassen und Teller mit der Hand ab und sind so aus der Schusslinie. Manche "Mädels" entziehen sich aber nicht dem Assistentin-Regelwerk und machen brav mit. Dass unter den Frauen die hierarchiemäßig höher stehenden sich nicht daran beteiligen ist doch klar, oder? Was bleibt sind die weiblichen Gutmenschen, die sich vorallem keinen Widerstand getrauen, aber voll stiller Wut gegen jene sind, die es doch wagen...
Dabei frage ich mich, ob es denn nicht mehr weibliche Gutmenschen gibt als männliche, oder bilde ich mir das nur ein?
Viele Frauen neigen dazu eher still zu sein, wenn jemand etwas von ihnen verlangt, die Zähne zusammenzubeißen, die Bedürfnislosen zu spielen. Wobei das auch eher die ältere Generation betrifft, die noch sehr nach den alten Benimm-Regeln für Frauen erzogen wurden.
Sicher spielt die Erziehung eine große Rolle. Wer zum Dulden, zum Stillhalten 'erzogen' wurde, kann oftmals nicht anders. Früher hatte es System, denn Königreich und Staat brauchten den gehor- und duldsamen Untertanen. Und unter den Untertanen herrschte dasselbe Prinzip. Ganz unten waren die Frauen und Kinder...
Gutmenschen (waren) sind wohl alle, die stillhalten und so das System stützen. Auch heute noch.
Wobei ich nun bei Klaus Mann's Mephisto angelangt bin. Ich hatte beim Lesen nicht den Eindruck, dass es sich um einen Racheakt gegen Gustaf Gründgens richtet, sondern dass es sich eher um eine sehr gut gelungene Beschreibung von Menschen handelt, die sich einem Mörderregime unterwerfen und daraus viele Vorteile ziehen. Die Na.zidiktatur konnte nur mit ihrer Hilfe so gut und so lange bestehen, weil es genügend solcher "Gutmenschen" gab.
Hendrik Höfgen ist der Prototyp eines Gutmenschen - er weiß irgendwo in seinem Hinterstübchen, dass es nicht richtig ist, wenn er stillhält. Aber er kennt auch alle die Ausreden, die Texte zur Selbstbeschwichtigung, um seine Feigheit, seinen Opportunismus zu kaschieren.
Jeder kennt diese Sprüche auch aus den Mündern der Stillehalter von damals.
Von jenen, die getrotzt haben, sind viele vergessen und nur langsam entsinnt man sich der Partisanen und Widerständler... Ganz still halten aber auch jene, die viel am Kerbholz haben - die meisten sind aber nun mittlerweile schon tot.
Der Gutmensch - welch ein dehnbarer Begriff! Für mich aber doch vorwiegend negativ besetzt.
Orlanda