Beitrag aus Archiv
DolceVita
Anzahl Beiträge: 424
Hu Hu Ihr da,
Die schwarze Liste des Vatikan
Über Jahrhunderte hinweg beanspruchte die katholische Kirche die Deutungsmacht über die Ordnung der Welt. Sie ließ neues Gedankengut, neue wissen-schaftliche Erkenntnisse zu oder ächtete sie. Sie entschied über Richtig und Falsch, erlaubte Fortschritt oder versuchte, ihn zu verhindern. Doch ihre Überzeugung, die ewige Wahrheit zu besitzen, war nicht unumstritten. Gutenbergs Druckerpresse ermöglichte es immer mehr Freidenkern, ihre Gegenwelten mit Hilfe des gedruckten Buches in tausendfacher Auflage zu verbreiten und neue Erklärungen der Welt zu wagen, die oft gefährlich im Widerspruch zu den päpstlichen standen.
Der Vatikan erfand deswegen den Index, die Liste der verbotenen Bücher. Wer sie trotzdem las, dem drohte die ewige Verdammnis. Von nun an tobte ein Machtkampf um die Seele des Menschen und die Ordnung der Welt. Es war auch eine Propagandaschlacht, die im Lauf der Geschichte ihresgleichen sucht. Aber auch innerhalb des Vatikan wurde um den richtigen Weg gerungen. Es gab heftige Diskussionen darum, welches Buch verboten werden sollte und welches nicht.
Die Öffnung der geheimen Archive der Inquisition und Indexkongregation im Jahr 1998 ermöglicht erstmals den Zugang zu bisher unbekannten Schauplätzen und unveröffentlichten Akten.Die von der Menschheit geführt wurden. Immer wieder geht es um entscheidende Wendepunkte in der Geschichte, deren Diskussion bis heute nicht an Brisanz verloren hat.
Der Protestant, der renommierte Kirchenhistoriker Hubert Wolf, Katholik, öffnet Pforten, die über Jahrhunderte verschlossen waren. Klug und unterhaltsam streitet er um die Rolle von Zensur damals und heute. Er betritt Orte, die bisher der Öffentlichkeit verschlossen waren. Labyrinthe von Aktengängen erwarten ihn, unzugängliche Dokumente, die seit Jahrhunderten nicht mehr von Menschenhand berührt wurden. Welche Fälle wurden in den geheimen Prozessen verhandelt? Wieso wurde Luthers in hunderttausenden Exemplaren verbreitete Bibelübersetzung verboten, Galileo Galilei verurteilt, der Müller Menocchio verhaftet und verbrannt? Was war in den Augen der Zensoren so gefährlich an Büchern von Heinrich Heine? Warum wurden die Werke von Darwin und Marx nicht verboten? Und warum kam "Mein Kampf" nie auf den Index der verbotenen Bücher?
Der Vatikan sieht sich als alleiniger Hüter der Wahrheit. Nur er kann die Welt erklären. Doch Reformatoren und Naturwissenschaftler stellen dieses Erklärungsmonopol in Frage - und damit auch die Institution Kirche.
Die Fragen von Hubert Wolf reichen bis in die Gegenwart. Wie schon mit der Erfindung des Buchdrucks erlebt die Gesellschaft heute mit dem Internet eine mediale Revolution. Die Folgen sind gravierend. Wäre Zensur heute vielleicht hilfreich im Kampf gegen Terrorismus, Kinderpornographie, Rassismus? Brauchen wir heute eine Instanz, die uns davor schützt? Benötigen wir einen neuen Index?
Ich höre...........DolceVita