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Orlanda
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Einst ist man dazu übergegangen, gewisse Fertigkeiten eines Menschen kommerziell zu nutzen. Das geschah anfangs mit Tauschhandel - konnte Eine(r) besonder gut Felle und Leder bearbeiten, so bot ein(e) Andere(r) dafür seine Fertigkeiten, z.B. beim Herstellen von Tonwaren oder Waffen, an.
Irgendwann gab es dann die Berufe und die Menschen lebten ganz gut damit.
Es war aber immer noch so, dass sich der Mensch für die kleinen Bedürfnissen des Alltags selbst versorgte.
Heute hat sich in unserer Gesellschaft in vielen Fällen fast jeder Mensch in einer Weise spezialisiert, die ihm kaum mehr Zeit dafür läßt, sich selbst z.B. mit Nahrung zu versorgen, und in vielen Fällen fehlt es an Instinkt und fundierten Kenntnissen dafür.
Unterstützt wird dies von einer Industrie, die den Menschen vorgaukelt, was gut und gesund für sie sei. Der unwissende und bedürftige Mensch hat keine andere Wahl als sich alles einzuverleiben was ihm dargeboten wird.
Man nehme den Prototyp des karrierebewußten Angestellten: Er eilt frühmorgens ins Büro, sein Notebook hat er immer dabei und er arbeitet auch schon in der Bahn auf dem Weg zur Arbeit an seinem Tagespensum. Im Büro angekommen gibt es aus dem von der Firma bereitgestellten Kaffeeautomaten die erste oder bereits die zweite Tasse Kaffee (wie wirklich guter, handgemachter Kaffee schmeckt, hat der Angestellte zum Glück offenbar vergessen).
Mittags eilt man in die Kantine. Auch hier gibt es ein ansehnliches Angebot an Speisen und nicht immer sind sie so zusammengestellt, wie dies einem bewegungsarmen Tagesablauf gerecht wäre. Aber es gibt viel Soßenkleister, Geschmacksstoffe, die das orale Bedürfnis nach Trost und Belohnung befriedigen.
So vollgefüllt eilt der Angestellte nach einer Tasse Kaffee oder Espresso wieder an seinen Arbeitsplatz. Am Ende eines langen Tages endlich daheim, findet unser Angestellter in seinem Kühlschrank auch wieder Nahrung vor, die ihm die Nahrungsindustrie als gut und gesund angeboten hat. Zum Kochen bleibt dem Menschen nach 10 - 12 Stunden Arbeit keine Zeit. Und so sinkt er schwerbeladen mit Vorgefertigtem und tröstlich Schmeckendem ins Bett.
Alles, was der Mensch braucht, wird gekauft: Kleidung, Schuhe, Möbel und Ausstattung seiner Wohnung. Seine Freizeit verbringt unser Angestellter in der von der Unterhaltungsindustrie verhängten Art und Weise. Es ist alles gesteuert: Auto, Wochenendausflug, Zweitwohnung in den Alpen. Man kann nichts falsch machen, wenn man sich dem Trend anschließt und es gibt für jeden Geschmack alles zu kaufen!
Vielleicht gibt es ja auch noch eine Frau, die ebenso hochqualifiziert voll im Berufsleben steht und alle Grundbedürfnisse dank einer gut funktionierenden Versorgungsindustrie befriedigen läßt.
Das glückliche Paar hat, weil das ja auch zum Glück eines Paares gehört, auch ein Kind. Ja, auch hier gibt es Spezialisten, die Versorgung und Erziehung dieses Kindes übernehmen.
Wer weiß heute noch, wie richtig gekocht wird, wie man seine Nahrung selbst herstellt, wie man Vorratswirtschaft betreibt, wie man Kleider herstellt, auch kleine Reparaturen an Schuhen vornimmt (bzw. wer trägt heute noch seine Schuhe zum Schuster? Viele, auch teure Schuhe können heutzutage gar nicht mehr repariert werden!), baut selbst noch Möbel, bemalt sie, anstatt sich neue zu kaufen? Wer kann heute noch auch nur die kleinste Reparatur an seinem Auto selbst ausführen? Sogar beim Fahrrad wird das zunehmend schwieriger, je spezialisierter ein Fahrrad ist.
Unsere Wirtschaft ist nicht auf Selbstproduktion und Erhalt guter Qualität aufgebaut, sondern auf ständiger Erneuerung. Die Dinge haben keinen Wert mehr und deshalb wirft man sie auch schnell und gern wieder weg, um sich neue zu kaufen.
Sollten wir alle nicht in erster Linie zur Befriedigung unserer ureigensten Bedürfnisse SPEZIALISIERT sein, anstatt uns einem Diktat auszuliefern, das nichts Gutes für den Menschen im Schilde führt?
Man kann natürlich nicht alles ausschließen, was die moderne Zeit uns bietet oder uns abverlangt. Aber für ein gutes Gleichgewicht sollte jeder Mensch sorgen. Das würde dann allen guttun.
Orlanda