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Merlin47
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Liebe Nora,
an verschiedenen Stellen in diesem Forum habe ich schon über unsere Nähe zu den Tieren geschrieben. Je mehr man sich mit der Psyche des Menschen beschäftigt, je geringer wird gerade der Abstand zu den Primaten.
Irgendwann stellt man sich dann auch die Frage, worin wir uns eigentlich von ihnen unterscheiden. Ich habe schon eine Menge darüber gelesen und nachgedacht, aber eine richtige Antwort habe ich darauf noch nicht gefunden.
Ich glaube auch nicht, daß es bei dem Test mit dem Gel um Gut und Böse ging, sondern um unsere Grenzen. Eine unserer Stärken, mit der wir unsere Art durchgesetzt hatten, ist die Gemeinschaft. Dieses Verhaltensmuster ist tief in unserem Unterbewußtsein verankert und bestimmt unser Wesen.
Das Fatale daran ist, daß wir mit Gemeinschaft jene Sippen meinen, mit der unsere Vorfahren durch die Savannen und Wälder der Vergangenheit streiften – also ca. 10-15 Personen. Alles was über diese Zahl ist betrachten wir deshalb als Fremde.
So wird auch bewußt, warum die 900 Frauen für uns den Status als Individuum verlieren und nur noch als abstrakte Sache gesehen werden. Erst wenn wir uns einer einzelnen Frau zuwenden, wird das eigentliche Unrecht oder Fehlverhalten deutlich.
Diesem Phänomen begegnest Du in vielen Ereignissen – die ihren ganzen Schrecken erst preisgeben, wenn man sich einzelnen Schicksalen zuwendet. Erst der einzelne Mensch wird zum Nächsten, dem wir uns auch verbunden fühlen.
Ein weiteres Verhaltensmuster, das in dem Test eine Rolle spielt, ist das starke Bedürfnis der Menschen zur Perfektion. Man begnügt sich nicht, die Wirkung des Gels zu testen, sondern folgt den geschaffenen Strukturen der empirischen Wissenschaft: Es muß also der Gegenbeweis erbracht werden!
So verstehe ich auch, warum der Redakteur meiner Tageszeitung das Ganze in einem positiven Licht geschrieben hatte, ohne auf das Unrecht hinzuweisen. Keine Sorge, ich habe ihm geschrieben, ich konnte es nicht lassen.
Merlin