Liebe Cardia,
der Begriff Alter ist halt im allgemeinen negativ belegt - wer würde einen entsprechenden Rotwein, nur weil er "alt" ist, einfach wegschütten oder abqualifizieren? Es gibt vieles, das erst durch die Ansammlung von Jahren bedeutungsvoll und inhaltsreich wird. Ein frischer Käse mag auch schmackhaft sein, aber der Käseliebhaber wird den Geschmack bevorzugen, der erst durch die Reifung entsteht.
Ja, ich weiß, das klingt alles nach Schönrederei, aber es geht ja in erster Linie darum, sich selbst zu motivieren. Noch kann ich mit diesem Körper zufrieden sein und so sollen mir die Jahre egal sein. Wenn ich liebevoll und diszipliniert mit ihm umgehe, läßt sich mit ihm (noch) ganz schön viel anstellen und Lebensfreude genießen -ich darf ihn nur nicht, wie schon leider oft geschehen, einem Seelenräuber "zum Fraße vorwerfen"!
Später, wie Du schreibst, mit 90 oder 100 werden Geist und die Seele sicher soweit sein, sich anderen Dimensionen zuzuwenden. Ich sah das an allen alten Frauen in meiner Familie. Allen voran meine Großmutter. Sie starb leider schon mit 82 Jahren, aber für ihre Generation (Jahrgang 1906) war das auch ein gutes Alter. Sie wußte, dass sie sterben muss und hat ganz ruhig darüber gesprochen, auch wie schön ihr Leben war und wie dankbar sie ist, was sie nun, im Alter, noch alles erlebt hat (z.B. die Geburt der Urenkel) - ihr Leben war alles eher als leicht... Noch 4 Monate vor ihrem Tod war sie fit wie ein Turnschuh.. Garten, Haus, Wandern.. sie führte ein sehr aktives Leben.
Ich bin ihr in vielem ähnlich, auch ihr Entschluss mit 52, nach dem Tod des Mannes, alleine weiterzuleben aus vielen verständlichen Gründen, ist für mich nicht nur nachvollziehbar, sondern er zeigt mir, dass eine Frau auch alleine großartig und glücklich leben kann. Sie war noch eine Generation, die in der Sexualtität nicht diese Bedeutung sah wie die heutigen Generationen. Sie hatte das mit ihrem Mann ausgelebt, soweit das auslebbar war (er war als Berufssoldat vom Beginn des Krieges bis zum Ende dabei..) und sie wollte, wie sie sagte, nicht zur Krankenpflegerin und Haushälterin der alten Herren werden, die sich damals nach dem Tod meines Großvaters sofort um sie bemühten.
Eine lustige Geschichte am Rande: Ein Großonkel, dessen Frau starb (das Ehepaar war kinderlos und meine Großtante versorgte ihn wie ein Kind..), lernte im hohen Alter von 75 Jahren sogar noch kochen und waschen, nur um nicht den verwitweten und noch ledigen Freundinnen seiner Frau "in die Hände" zu fallen, wie er sagte... Nach dem Tod der Großtante überfielen sie ihn mit ihren Hilfeleistungen und das wurde ihm zu viel und vorallem sehr verdächtig...
Das Leben ist ein kostbares Geschenk!
Nora