Beiträge zum Thema: Reisen wo sich Okzident und Orient treffen...

 
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Orlanda
Orlanda
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Düse heute morgen im Zug mit Quadro Nuevos "Grand Voyage" leider nicht nach Batumi, sondern einfach durch die niederbayrische Landschaft. Faszinierend, wie gut diese Klänge sich in die sanfte Hügellandschaft und zu den moorigen Wiesen fügen!

http://www.youtube.com/watch?v=n88E49uOMgE

Die tänzelnden Töne der Ziehharmonika ziehen mit dem Nebel durch die Dörfer... die Harfe setzt liebliche Akzente und verschlafene Krähen sitzen auf dem Baum am Bahnhof... irgendwo zwischen Nacht und Sonnenaufgang... (Der Mann am Sitz vor mir, schnarcht...)

Der Zug rauscht dahin, leicht verjazzt jubelt die Klarinette, orientalisch-niederbayrisch - leichte Schräglage...
da: dumpfe, stakkatoartige Töne einer Ziehharmonika... ich sehe im Geiste ein paar niederbayrische Bauern beim Stammtisch die Köpfe zusammenstecken..
die hingehackten Ziehharmonikatöne erscheinen mir wie ein Sinnbild einer monotonen Denkweise und alles Neue ausschließenden Mentalität...

.. und plötzlich löst sich alle Dumpfheit auf in der juchzenden Klarinette und wieder durchwirkt von himmlischem Harfengeklimper..

..schon tritt wieder die dumpfe Harmonika in den Vordergrund, bodenständig, drohend.. bis auch sie sich wieder in den orientalisch-melodischen Kreisel der Töne verfängt..
und die Klänge legen sich wir Marzipan übers Ampermoos..

der Zug rauscht dahin...

Bin erstaunt, wie gut sich der leicht orientalisch-jazzige Sound in die niederbayrische Landschaft fügt.
Vielleicht liegt doch sehr viel mehr Verbindendes zwischen Okzident und Orient als sich der brave Bürger das vorstellen kann?

Vielleicht sind die Mentalitäten zwischen Orient und Bayern doch nicht so verschieden? Vorallem die ländliche Bevölkerung huldigt den Traditionen und bewahrt Althergebrachtes - Anstand, Sitte, Moral, Züchtigkeit.. und was sonst noch ein ehrbares Leben ausmacht -

dort wie da,
da wie dort...

Tiefe Eingebundenheit in religiöse Traditionen, festgefügte Hierarchien und Verabscheuung alles Fremden...

Beim "Mosaique Tunesiene Morning" fährt der Zug in Freising ein. Dumpfer Trommenschlag, als wär der 30igjährige Krieg grad ausgebrochen....
wird übertönt von okzidentischen Harfenklängen, zu denen sich wieder eine jubelnde Klarinette gesellt...

Während die Menschen aus- und einsteigen ist die Klarinette schon wieder auf der Reise nach Batumi...

Orlanda
 
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Hallo Orlanda,

A's Beifall schließe ich mich in diesem Falle gerne an, machte mir aber dennoch ein paar eigene Gedanken zu Deiner musikalischen Reise zwischen den Welten:

TREFFEN verschiedener Kulturen finde ich gut, aber dann schreibst Du etwas von
"Tiefe Eingebundenheit in religiöse Traditionen, festgefügte Hierarchien und Verabscheuung alles Fremden..."

Muss das Verabscheuen denn sein?

Diese Frage richtet sich nicht explizit an Dich, sondern ist allgemeiner Art. toleranz scheint doch eine ziemlich schwierige Angelegenheit zu sein.

Schade, finde ich. Ich erkenne so oft diese Extreme; auf der einen Seite wollen Völker andere missionieren und unterjochen, im anderen Extrem erkenne ich das fast schon zwanghafte Vermischen-Wollen, was für den Einzelnen wieder in Freiheitsberaubung ausarten kann. Kommt noch dazu, dass man Tolerenz oft nicht von Gleichgültigkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen unterscheiden kann.

Kann man nicht das Unterschiedliche (unter Bewahrung allgemein gültiger Menschenrechte) nebeneinander einfach bestehen lassen?
Damit meine ich jetzt nicht das Verbindende in Musik, Kunst etc, sondern "nur" das leider existente Verabscheuen von "fremden Sitten".

Die niederbayerische Mentalität ist mir (wie einige andere regionale Eigenarten) nicht ganz unbekannt und die Frage, warum Menschen so stur, intolerant und manchmal besessen sind davon, nichts Fremdes gelten zu lassen, stellt sich mir an verschiedenen Stellen immer wieder.
Zum Glück gibt es ÜBERALL auch offene Menschen, sogar in meiner fränkischen Heimat.

Zurück zu den "Reisen zwischen den Welten/Klängen:

zwei Alben von orientalisch/jazzigen Klängen, die ich liebe:
Rabih Abou-Khalil "Songs for sad Woman"
und
Jan Garbarek mit pakistanischen Musikern
"Ragas und Sagas"

Ja, erstaunlich was alles miteinander harmonieren kann, wenn man einen Sinn dafür entwickelt hat.

emirena, augenblicklich klanglos

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