@Germaine,
es ist, glaube ich, umgekehrt: Sehnsucht kommt von Sucht.
Dass Leute, die dem Alkohol verfallen, "labil" sind ist eine Ansicht, die mit vielen Deiner Ansichten auf einer Ebene steht: Wie kommst Du darauf? Es gibt Menschen, die, kaum geboren, in unsägliche Verhältnisse gestoßen werden. Außerdem vermutet man, dass die Anlage zur Sucht genetisch bedingt sein soll.
Alle alkoholabhängigen Menschen, die ich kenne, haben ein Basisproblem, das jeden von uns in die Verzweiflung treiben könnte. Wer damit nicht fertig wird, ist sicher nicht "labil", sondern hat den Absprung noch nicht geschafft bzw. noch nicht den Weg in die Therapie gefunden.
Bei Rauchern übrigens ist es ähnlich: Auch hier ist die Sucht nicht eine Folge von Labilität, sondern die Folge, dass sich der Mensch noch nicht dazu aufraffen konnte, gegen die Sucht anzugehen. Alle Raucher, die ich kenne, sind extrem angespannt, haben irgendein Problem in der Seele oder können sich gegen gewisse Zustände im Umfeld nicht zur Wehr setzen. In die Sucht flüchtet derjenige Mensch, der den Kampf nicht wagt, sondern sich zurückzieht. Weil er es nicht erträgt, flüchtet er, betäubt sich.
Alkoholiker die ich kenne, sind erbarmenswürdige Menschen, meistens sehr sensibel und im nüchternen Zustand wunderbare Menschen. Im Rausch werden viele allerdings zu sehr unangenehmen Zeitgenossen. Sie spiegeln damit das, was sich in ihrer Seele abspielt, das, mit dem sie nicht fertig werden.
Es gibt verschiedene Abstufungen der Alkoholsucht: Bei vielen fällt es nicht auf oder erst sehr spät. Mancher Mensch, der merkwürdig ist, entpuppt sich bei näherem hinsehen als jemand, der "unter Dampf" steht. Da aber nicht jedes merkwürdige Verhalten gleich Alkoholsucht bedeuten muss, muss man mit jeder Mutmaßung vorsichtig sein.
Im letzten Stadium, wenn körperlicher und seelisch-geistiger Verfall eingesetzt hat, ist die Sucht nicht mehr zu übersehen. Es ist ein langsamer Tod von der ersten Verzweiflung, die mit Alkohol betäubt wird, bis zu dem Zustand, wo der Süchtige nicht mehr weiß, warum er sich betrinkt.
Alkoholsucht ist eine der größten Tragödien der Menschen. Sie tötet und zerstört mehr Leben als so mancher Krieg und sie wütet großteils im Verborgenen.
Nora