Beiträge zum Thema: ein (letztes) Tabu - die Einsamkeit

 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
Es gibt vielerlei Indizien dafür, daß immer mehr Menschen -besondern gegen Lebensende- immer einsamer werden und viele am Ende einen einsamen Tod sterben.

Aber natürlich kann man das niemals eingestehen, nicht einmal sich selbst. Wie sähe das denn aus! Der Schein muss gewahrt werden, oder?

Ich behaupte, daß niemand dauerhaft völlig frei von Einsamkeit ist, auch dann nicht, wenn die FAmilienbande und/oder die aktuelle Zweier-Beziehung bzw. der sogenannte "Freundeskreis" einigermaßen intakt sind.

Allerdings glaube ich auch, daß sie viele von uns wirklich sehr erfolgreich selbst belügen:

Wir alle "brauchen" längst keinen anderen Menschen mehr, um zu existieren.
Männer können kochen und putzen, Frauen können Geld verdienen und heimwerken. UNd sonst haben wir doch alle viele Freunde, mit denen wir gemeinsam ganz viel Schönes erleben. Außerdem ist alles auch alleine schön (oder wenigstens befriedigend). Sicher.

Warum sind dann die Partnerbörsen voller Leute, die irgendwie Anschluß suchen?

Was denkt Ihr?
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Wieso zickig? Ich würde mir auch nicht gerne etwas unterjubeln lassen.
Deine Beiträge schätze ich sehr, deshalb war mein Schreck auch besonders groß.

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Ach, Du lieber Himmel! Verzeih mir die Namensverwechslung, liebe Silberstaub, ich wollte NICHT Dich ansprechen, sondern Feuerherz!

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Das "Einsamkeit beginnt im Kopf" von Anonymous war sicher nicht so banal gemeint, wie Du, liebe Silberstaub es interpretiert hast.
Man könnte auch sagen, Einsamkeit steckt in der Seele.

Aber egal wo es beginnt, es ist ein Syndrom für etwas, dessen Ursache u. a. in der westlichen Gesellschaftsform des 21. Jhdts. steckt.

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
nein, es kann nicht JEDER.
Wir hier, die wir hier lesen und schreiben, ja, wir können es. Wir müssen nicht in der Selbstmitleidsfalle gefangen unser Dasein fristen.

Es gibt verschiedene Gruppen, die mehr oder weniger ausgegrenzt sind bzw. werden und sich nciht selbst helfen können, und zwar nicht nur in der von Merope genannten Gruppe der ganz alten Frauen (wo fängt eigentlich ganz alt an?), sondern durchaus auch Generationen unabhängig.

Alter, Krankheit, Armut sind die Hauptursachen der nicht immer durch Selbstheilung zu beseitigende Eisamkeits-Ursachen. Wenn dann noch mehrere dieser Kriterien zusammentreffen, sieht es schlecht aus.

Und auch Menschen in der sogenannten "mittleren Generation" (ich beziehe das mal auf die Altersgruppe bis zur Regel-Altersrente) können speziellen Fällen zu den von Einsamkeit bedrohten gehören.

In jeder Altersgruppe gibt es hilfsbereite Menschen mit sozialer Kompetenz und es gibt andere, die dem Egoismus und dem Hedonismus oder der SElbstgerechigkeit frönen.

Die "Guten", die dem Nachbarn helfen, können leider nicht überall sein. Selbst wenn man davon ausginge (was man nicht unbedingt kann), daß alle in der Lage wären, neben ihrem Job und neben der eigenen Familie sich noch um andere zu kümmern, können die Hilfsbereiten nicht den ganzen Bedarf abdecken..

Fakt ist, es gibt eine Art von Einsamkeits-Notstand, der weder durch Negieren der Lage noch durch beachtenswerte Leistungen Einzelner aufgefangen werden kann.

Also bitte, nicht verurteilen.
Weder die, bei denen "es angeblich oder tatsächlich im Kopf beginnt", noch die, die schon längst außen vor sind. Ob es da "im Kopf" begonnen hat, können wir doch gar niht beurteilen.

Eine Balance für uns selbst zu finden, auf daß wir weder den "Anfang im Kopf" heute zulassen noch uns über unsere eigenen Kräfte hinaus engagieren, das könnte der Königsweg der Mitte sein.
ABer JEDE Last ist in der Gemeinschaft leichter zu tragen als auf den Schultern einer einzelnen Person.
Wenn potentielle Helfer ausfallen, weil sie ihre Leistungsfähigkeit verloren haben, ist auch keinem geholfen.

Mit dem Hinweis auf miserable Bezahlung und gleichzeitige Kräfte mäßige Ausbeutung in allen Pflegeberufen UND darauf, daß arbeitende Menschen heute zwar weniger Wochenstunden arbeiten als vor 100 Jahren, aber dafür ganz andere Stressfaktoren zu bewältigen haben, bedanke ich mich für alle konstruktiven Beiträge. Danke für die "Vorlage", Orlanda!

emirena
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Ja, liebe Merope, die mittlere Generation...! Vielleicht haben Sie die Aufopferung der Eltern gesehen und beschlossen nur noch für sich selbst da zu sein?

Aber in diesem Punkt hast Du Recht: Es geht einer bestimmten Gruppe gut bis sehr gut und die blenden gerne alles aus, was nicht ins Bild paßt. Aus dem Arbeitsleben weiß ich, dass diese Menschen auch nicht für sich selbst kämpfen. Sie lassen sich recht viel gefallen, wenn es darum geht, Karriere zu machen. Für Andere haben sie dann genauso wenig Herz wie für sich selbst...

Alte Menschen sind nicht immer leicht zu "haben" und manchmal ist es sehr schwer, sie zu ertragen. Prinzipiell ist das nicht viel anders, als es mit Kindern ist. Gut, kleine Kinder haben ja noch den Baby-Vorteil. Bei Halbwüchsigen ist das schon anders, die möchte man manchmal auf den Mond schießen!

Das ist auch mit ein Grund, weshalb ich es als Skandal empfinde, dass bei den Pflegeberufen (von Kind bis Greis) keine gerechten Gehälter bezahlt werden! In den Unternehmen sitzen an manchen höheren Positionen so unglaublich bescheuerte Menschen, die heimsen große Gehälter ein und werden für Ideen zum Personalabbau hochgelobt! Die durch den Personalabbau angestrebten Einsparungen bleiben aber aus, weil auf anderer Stelle wegen des Personalabbaus die Kosten gestiegen sind...! Das dabei entstandene Chaos im Arbeitsablauf wird auch geflissentlich übersehen.

Orlanda
(bei uns schneit es mittlerweile...)
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 1983
Hallo Orlanda und Emirena,

Ihr habt Recht, die ganz Alten (besonders die Frauen) haben sich oft für ihre Angehörigen aufgeopfert und haben heute oft niemand, der sich um sie kümmert.

Aber bei der mittleren Generation bemerke ich immer stäker: Geht uns nix an, belastet uns zu sehr, verdirbt uns die Laune - selbst in meiner eignen Verwandtschaft stelle ich fest, dass alles andere wichtiger ist als Bindungen und Hilfe in der Familie... Leider!

Also doch eine gesellschaftliche Entwicklung... Na ja, ich kanns ja anders machen - und mach es auch, aber bestimmt nicht bis zur Selbstaufopferung, denn die hilft auch keinem.
Zu dem Besorgungen machen und spazieren gehen: Damit sprach ich von mir und meiner gehbeinderten Nachbarin. Am Anfang hab ich mich dazu durchringen müssen, weil sie ziemlich "laut" und geschwätzig ist - aber nun, da sie mit einen Schlafanfall in der Reha liegt, vermisse ich sie doch. Hoffentlich kommt sie wieder auf die Beine.

Schönen Gruß vom verregneten Bodensee
Merope
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
Nachtrag an Merope:
Aus meiner eigenen Sicht wäre es auch nicht verkehrt, mit "Gesellschaft" alle Europäer, alle verantwortungsbewußten Weltbürger oder auch alle Frauen anzusprechen. Alles nur beispielhaft.

Das kann (und muss) doch jeder für sich selbst so auslegen, wie er möchte und deshalb liegt es mir fern, einzelne Personen ungefragt einzubeziehen, die das nicht wollen.

Ich fühle mich als (autorisierte) Angehörige einiger unterschiedlicher Gesellschaften - nicht aller. Zum Beispiel fühle ich mich NICHT der Gesellschaft der Groß- und Raubtier-Kapitalisten zugehörig. NICHT zugehörig fühle ich mich auch z.B. bei "Gesellschaften" radikaler politischer Gruppierungen oder religiöser Fanatiker usw usw

liebe Merope, das alles ist meinerseits niemals auf eine einzelne Person bezogen. Verantwortlich fühle ich mich selbstverständlich nur im Rahmen meiner eigenen Möglichkeiten für mein eigenes Tun oder Lassen.

so habe ich auch NUR versucht, Deine Frage nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.

Eben lese ich, was Orlanda hierzu noch geschrieben hat. Aus dieser Betrachtungsweise stimme ich voll zu.

Jedenfalls ist Einsamkeit oder Isoliertsein oder Alleinsein, je nachdem wie man es interpretieren will, KEINE Einbildung, sondern ein Phänomen, das in manchen Zeiten mehr und in manchen Zeiten weniger ausgeprägt ist. In der Ist-Zeit sehe ich schon eine Gefahr, die sich verstärkt niederschlägt.

emirena
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
@Merope: ".... die Meisten, die heute über Einsamkeit klagen, haben sich doch zu besseren Zeiten auch zurückgezogen, weil sie nicht bereit waren, auf den einsamen Nachbarn, Kollegen, Verwandten einzugehen..."

Das ist eine Pauschalierung und stimmt so nicht! Viele der heute vereinsamten Menschen waren in jungen Jahren damit beschäftigt, sich ganz der Familie zu widmen. Sie haben wohl vergessen oder es nicht für wichtig erachtet, auch "auf sich" zu schauen! Gerade bei Frauen, die in der traditionellen Frauenrolle als Hausfrau und Mutter lebten, war es überhaupt nicht üblich an sich zu denken.

Die Einsamkeit begann, nachdem die Kinder aus dem Haus waren, die Eltern und Schwiegereltern nach langer Pflege gestorben waren, später auch der Partner oder die Partnerin starb.
Freilich haben viele Alte noch Beziehungen zu ihrer Familie, aber das moderne Leben läuft so ab, dass die Alten nicht mehr geschätzt sind und gerne abgeschoben werden. Das ist ein eigenes Kapitel und würde ein eigenes Thema gut füllen...

Dann gibt es noch die jüngeren Einsamen - das sind manchmal auch solche, die jahrzehntelang um ihre Eltern bemüht waren und es nicht zustande brachten, sich ihr eigenes Leben zu schaffen.

Und alles in allem gibt es noch jene Menschen, die aufgrund negativer Erfahrung ihr Vertrauen zum Nächsten verloren haben und sich in ihre Einsamkeit zurückgezogen haben.

Was Du, liebe Merope, da beschreibst mit dem zweimal pro Woche einkaufen usw. klingt sehr mechanisch. Sicher freuen sich die Leute darüber, aber fraglich ist, ob solche Aktionen die echte Einsamkeit wirklich vertreiben?

Einsam sein im Alter ist mehr als nur niemanden zu haben, der mit einem im Treppenhaus plaudert oder einkaufen geht - obwohl das natürlich eine sehr große Hilfe sein kann.

Einsamkeit vertreibt, wenn sich jemand findet, der einem wirklich auf einer gemeinsamen inneren Ebene begegnet. Sich z.B. stundenlange Erzählungen anhört, echte Anteilnahme an nostalgischen Gesprächen hat, mit dem man sich an einem Sonntagnachmittag zum Kaffee/Tee zu trifft.

Alte Menschen leben zum Teil wieder in ihrer alten Welt. Je älter man wird (das merke ich auch an mir), umso enger wird die Bindung zur sehr weit entfernten VErgangenheit.
Ich glaube, dass die echte innere Einsamkeit eines alten Menschen auch damit etwas gelindert wird, wenn der jüngere Mensch bereit ist, mit ihm kleine Reisen in seine Vergangenheit zu machen. Gerade als Mensch, der sich am Tor zum Alter befindet, hat man doch noch die Erinnerung an eine Zeit, in der der alte einsame Mensch jung war. Mit ihm gemeinsam geht man zurück, begegnet längst verstorbenen Menschen und alten Landschaften, die es nicht mehr gibt. "Weißt Du noch...?" und die Augen des alten Menschen beginnen zu leuchten...

Ich habe bei meinen Ausführungen in erster Linie an meine 91jährige Schwiegermutter gedacht, mit der ich regelmäßig sehr innige und tiefe Gespräche (meistens telefonisch) führe. Die meisten ihrer Freundinnen und Bekannten von früher sind nun schon gestorben und ihre Einsamkeit ist wohl die eines Menschen, den das Schicksal in eine fremde Welt verfrachtet hat. Vieles versteht sie von der heutigen Welt, aber das meiste möchte sie nicht mehr leben.
Sie jammert nicht mehr über ihr Alter, ist unglaublich milde geworden, aber wer genau hinhört, vernimmt auch das, worüber sie nicht laut spricht.

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
Hallo Merope,
es gibt ja vielerlei "Gesellschaften", z.B. alle Deutschen, alle Christen, alle Buddhisten, alle Rentner, alle Schulkinder, alle Einwohner einer bestimmten Stadt oder auch ein einzelner "Familien-Clan".

Ich meinte hier wohl die deutschen Bürger bzw. die sich zugehörig fühlen.

Natürlich gab es Einsamkeit immer.

Ich beklage nciht irgendeine bestimmte Mentalität, ich hinterfrage lediglich, was sich entwickelt und versuche die Zusammenhänge herauszufiltern. Für mich selbst. Davon muss sich wirklich niemand kritisiert oder gar bedroht fühlen.

Es ging mir überhaupt nicht um die Frage, wie ein Einzelner helfen kann und ob es es will. Sicher sind Deine Vorschläge gut und richtig.

emirena
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 1983
hallo emirena,

wer ist denn "die Gesellschaft"? Das sind doch wir. Ich möchte niemanden was unterstellen, aber die Meisten, die heute über Einsamkeit klagen, haben sich doch zu besseren Zeiten auch zurückgezogen, weil sie nicht bereit waren, auf den einsamen Nachbarn, Kollegen, Verwandten einzugehen.

Das muss man lernen und üben. Und wenn man zwei Mal pro Woche für jemanden Besorgungen macht und mit ihm mal ein Schwätzchen hält oder spazieren geht, dann ist die Belastung für einen selber gering - und meist kommt dann auch sehr viel Dankbarkeit, die die Belastung wieder ganz ausgleicht.

Schönen Tag
Merope
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
Wie Anonymous "Alleinsein" und "Einsamsein"
interpretiert, so verstehe ich es auch.

Ich fühle mich nicht generell einsam, wenn ich alleine mit mir ohne die Anwesenheit anderer Menschen bin; im Gegenteil, auch ich suche solche Phasen.

Ich lese aber, Cardia und Orlanda, aus euren Texten eine gegenteilige Interpretation heraus. Ist wohl nur ein Verständigungsfehler.

Orlanda, Du bist auf die Auswirkungen eingegangen, die eine Gesellschaft mit vielen einsamen, sich alleingelassen fühlenden Menschen eingegangen.
Das war mein Hintergedanke bei dem ganzen Thema und genauso sehe ich es auch.

Viele Einzelne sind leichter manipulierbar, konsumieren mehr und können sich weniger gegen alle Arten von Manipulation schützen.
Insofern scheint mir eine Entwicklung in dieser Richtung ganz im Sinne eines Raubtierkapitalismus zu wirken.

emirena
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Ja, Anonymous, so verstehe ich das auch!

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Ja, liebe Cardia, das andere Extrem ist ja der Mensch, der keine Minute alleine sein mag. Mit so jemandem in Beziehung zu sein stelle ich mir sehr anstrengend vor und wirkt auf mich richtig abstoßend.

Vermutlich sollte man aber einen Unterschied machen zwischen Einsamkeit und Alleinesein.

Die Fähigkeit zum Alleinesein gehört zum Menschen - sogar mein kleiner Enkel ist mit seinen 3,5 Jahren schon fähig, kleine Momente mit sich alleine zu sein. Kinder brauchen das sogar für eine gesunde Entwicklung. Sie sind dann in ihrer Fantasiewelt, in der der Erwachsene sie nicht stören darf.

Einsamkeit ist etwas anderes. Ich persönlich betrachte es als etwas Ungesundes. Wenn es auch zur persönlichen Entwicklung eines Menschen gehören mag, so ist es doch ein Zustand, der überwunden werden soll. Ich frage mich, ob es möglich ist, dass ein Außenstehender die Einsamkeit eines Menschen vertreiben kann? Es gibt Fälle, da gesellt man sich zu einem Einsamen und dann wird die Einsamkeit zu zweit gepflegt...

Sobald die Einsamkeit überwunden ist, ist man wieder eingebunden in die Gesellschaft. Mit diesem inneren Fundament geht man dann auch gerne alleine seiner Wege.

Ich brauche dieses Alleinsein auch und fühle mich dabei überhaupt nicht einsam...

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
Naja, liebe Emirena, auch wenn es auf den ersten Blick am Thema vorbei zu gehen scheint, so ist doch ein Kern erkennbar:
Wir SIND eine Gesellschaft, in der die "Einsamkeit" ein Grundelement ist. Die Clans sind abgeschafft seit Beginn der Industrialisierung - angeblich sind Kleinfamilien und Singles von den REgierenden leichter zu manipulieren als feste Familienverbände!

Wenn man in die Firmen schaut, so ist tatsächlich der Einzelkämpfer gewünscht, wenn auch paradoxerweise die Führungs-Seite versucht, beim "Volk" ein "Wir" zu bilden. Aber dieses Wir ist vorgegeben, ausformuliert - wohlgemerkt nicht aus dem natürlichen Wir einer Belegschaft geboren, sondern aus dem Bestreben der Oberen eine homogene, leicht zu manipulierende Masse zu schaffen.

Gleichmacherei, wie man das auch von Sekten (Scientology!) kennt: Es ist ein krankhaftes Wir-Gebilde, das da entsteht: Ein Wir, das aus lauter in sich abgekapselten, einsamen und nur nach den Regeln der Führung reagierenden Einzelwesen besteht. Eine kontrollierbare Masse sozusagen, den die echten Einzelwesen sind ja nicht kontrollier- und regierbar. Und vorallem, das ist das Wichtigste: Kein Wir, das den Keim einer Revolution oder eines Widerstandes in sich trägt - eher ein Wir, das unendlich duldungsfähig ist.

Das Ganze macht mitunter einen unheimlichen Eindruck und erinnert an futuristische Romane und Filme.


Einsamkeit - ein unendliches Thema...

Orlanda
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 2136
Liebe Emi,

vielleicht sollte es uns sagen, dass Einsamkeit nicht gleich Vereinsamung ist und auch positive Aspekte hat.....

Also, ich suche von Zeit zu Zeit regelrecht die Einsamkeit, weil ich sie brauche, sie gibt mir ungeheure Kraft und macht mich kreativ.-

Ja, ich liebe sie, diese Einsamkeit und ich genieße sie sogar!

Zuviel Nähe erdrückt mich und zuviel Abstand lässt mich erfrieren....

Und...
ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte, ein Mensch, der nicht gern mal alleine und einsam ist, ist sogar Beziehungs- und Bindungsunfähig.....

Cardia, die ab und zu die Einsamkeit liebt!
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
oh, Mann,
da hat mal wieder jemand eine sehr spezfische Interpretation des Begriffes auf Lager.
Und was soll uns das nun sagen?
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 4
Nein nein Einsamkeit als Tabu, also ehrlich. Hier in den großen Städten sind 90 Prozent aller Bürger allein und die die in Beziehungen sind erst recht. Die Produktionsbedingungen im Westen sind nur noch auf eine Person zugeschnitten und das manchmal bis in die Chefetage. Selbst der Techniker kommt allein. Ich habe tausende Überstunden allein absolviert und war verheiratet. Und wem es noch nicht reicht, sterben müsst ihr allein und wem das zu heftig ist, auch der unangenehme Arztbesuch und das Krankenhaus könnt ihr nicht mal an euren besten Freund delegieren. Außerdem stelle ich die vielbeschworenen Freunde in Frage wenn es um Kriminalität geht oder ein Fahranfänger wegen seinen Freunden den Superman im Auto gibt, der dann für alle Freunde tödlich endet weil er eigentlich in Einsamkeit erstmal fahren lernen müsste.
 
Beitrag aus Archiv
Ehemaliges Mitglied
Ehemaliges Mitglied
Anzahl Beiträge: 7477
Ich denke nciht, daß es so einfach ist.
Eine Depression ist ja auch nicht nur ein Gefühl sondern eine wirkliche Krankheit; ebenso wie ein "Burnout" als Krankheit anerkannt ist.

Ich stimme da mehr Signorina zu: wer in die Abwärtsspirale hineingeraten ist, aus welchen Gründen auch immer, hat VIELLEICHT eine Möglichkeit, weider herauszukommen.
Ist derjenige dazu aber noch wegen Krankheit, Alter oder sonstigen evtl einschränkenden Bedingungen ISOLIERT, stehen die Chancen schlecht.

Ich möchte richtig verstanden werden: eine Lösung für Betroffene fordere ich hier nicht ein; ich frage mich aber, wohin führt es uns, wenn Menschen in einer Gesellschaft immer weniger bereit sind, einander zu stützen.

Die Tendenz ist ja eindeutig: es gi bt immer mehr Single-Haushalte und somit auch immer mehr alleinstehende Rentner. Man hat jahrzehntlang funktionier und im Sinne der Gemeinschaft etwas geleistet und will sich irgendwann die Sorge um andere nicht mehr aufbürden. In einer anderen Form wird uns diese Bürde aber nicht erspart bleiben.

Ich verstehe diesen Wunsch, sich nur noch um sich selbst kümmern zu wollen, sehr gut. Habe ja auch selbst keine Lust, mich mit einem Menschen einzulassen, der alleine nicht zurechtkommt. Wir haben es uns doch in aller Regel verdient, nach Jahren der Arbeit unser Leben zu genießen! Ja sicher.

Andererseits, wenn es auf Gegenseitigkeit beruhen würde, wäre ich jederzeit bereit, alles zu geben. Auf die Ausgewogenheit kommt es eben an. Nicht nur zwischen zwei Menschen, sondern auch auf die Balance innerhalb einer Gesellschaft.

emirena
 
Beitrag aus Archiv
Orlanda
Orlanda
Anzahl Beiträge: 3598
@Merlin: ".... Einsamkeit ist eigentlich ein Gefühl alle Verbindungen zur Innenwelt verloren zu haben..."

Genau das ist es! Man hat die Verbindung zu sich selbst verloren, es erscheint einem aber, als hätte man die Verbindung zur Umwelt verloren.
Wer in sich selbst ruht, sich seiner selbst sicher ist, der hat Verbindung zur Umwelt und steht fest auf sicherem Boden.

Freilich hast Du, liebe Emirena, Recht, wenn Du vom Tabuthema Einsamkeit sprichst. Der Mensch weicht vielem aus, was besonders unangenehm ist. Man verdrängt das was man fühlt und meint, es sei ja alles in Ordnung.
Wer ausspricht "ich bin einsam" oder "ich fühle mich einsam" hat ja schon den ersten Schritt gemacht, um Abhilfe zu schaffen. Den vor allen Problemlösungen steht die Erkenntnis des Problems.

Ich habe einmal irgendwo vom Begriff Frustrationstoleranz gelesen und dass es angeblich das ist, was der seelisch gesunde Mensch haben sollte. Man muss akzeptieren, dass man manchmal krank, manchmal einsam, manchmal hungrig, manchmal ungerecht behandelt, manchmal genervt usw. ist, ohne deswegen gleich in eine Sinnkrise zu fallen.
Frustrationstoleranz ist aber angeblich auch das, was viele Menschen nicht haben, weil man meint, es müßte immer alles perfekt sein und so ablaufen, wie man sich das wünscht. Uns geht es einfach zu gut, weil bei den meisten mitteleuropäischen Menschen die Grundbedürfnisse erfüllt sind. Wir haben das Glück, erst unglücklich werden zu müssen, wenn unsere weiteren Bedürfnisse nicht erfüllt sind - zuwenig Spaß, zuwenig Luxus, zuwenig dies und das, wovon der Mensch, der ums tägliche Überleben kämpft, nicht einmal träumt.

Ich weiß aber auch, dass solche Überlegungen im Zustand eines "Quengel-Zustands" des Normalbürgers kaum weiter helfen...

Manchmal fühle ich mich einsam, wenn ich ein Buch lese und niemanden finde, der mit mir darüber lacht oder so empfindet wie ich. Dann geh ich zur Lebensfreude und auch dort geht mein Aufruf ins Nirwana. Doch welch großartige Möglichkeiten habe ich als Mitteleuropäer sofort Abhilfe zu schaffen - und wenn es nur der Griff zu einem neuen Buch ist, mit dem ich mich ins warme Bett verziehe und die Welt vergesse...

Orlanda

© 2023 lebensfreude50 . All Rights Reserved.

Scrollen