Beiträge zum Thema: Darf eine Gesellschaft zum Tode verurteilen?

 
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Orlanda
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Liebe Kirie, gegen das "Will-ich-nicht-sehen" hilft ein Knopfdruck!

Liebe Heydiehex,
es war spannend gestern Abend. Josef Wilfling sprach aus seiner Tätigkeit als Ermittler des Münchner LKA und das war sehr spannend.

Der Großteil der Morde geschieht nicht im sogenannten Kriminellen-Milleu, sondern im Privatbereich! Es geht dabei immer um Emotionen und um Überschreitungen der natürlichen Hemmschwelle. Die meisten Mörder waren vor ihrer Tat harmlose, normal wirkende, oftmals auch unauffällige Menschen. Auch Serienmörder fingen klein an, steigerten sich aber, wie Wilfling erklärte, im Laufe der Zeit - mancher sogar soweit, dass er z.B. ältere Frauen umbrachte, in kurzen Abständen, um an ein wenig Kleingeld zu gelangen (zum Zigarettenkauf z.B.).
Ich finde es ja bemerkenswert, dass so viele Serienmörder vorallem Frauen umbringen.... (Mutter-Haß?)

Es waren viele Polizisten vom LKA München im Publikum, der Pressesprecher des Münchner LKA hielt eine Ansprache und natürlich auch Gerichtsmediziner und Staatsanwälte waren zugegen.
Ich hatte keine Chance, das Thema des Abends, "in jedem stecke ein Mörder" auszuprobieren. Wir wurden alle aufgefordert noch einmal unseren Anwalt anzurufen....

Es war eine interessante Veranstaltung und ich habe mir natürlich auch schon ein Ticket für den Abend zum Thema "Niederbayern-Krimi" besorgt...

Wilflings Buch "Unheil" finde ich deshalb bemerkenswert, weil Wilfling grundsätzlich reale Geschehnisse erzählt. Das sind GEschichten, die in jeder Familie vorkommen könnten.
Abscheu vor dem habgierigen Mörder aber auch Verständnis für die junge Frau, die ihre Mutter umbrachte, weil diese jahrelang zusah, wie die junge Frau von ihrem Stiefvater sexuell mißbraucht wurde, sind die Gefühle, die einem beim Lesen hochkommen. Oder der Mann, der seine Frau erstach, weil sie ihm die Vaterschaft am gemeinsamen Kind absprach...
Todesstrafe für diese Menschen, die in Grenzsituationen ausrasteten?

Hier im "Kleinen" sieht man die Abwegigkeit eines solchen Sühnegedankens...

Und vergessen wir nicht:
Wer sich, obwohl nicht persönlich betroffen, maßlos in Blutrachegedanken versenken kann, ist vielleicht auch nicht ganz davor gefeit, selbst zu morden. Denn bei jeder Hinrichtung sollte man sich im Klaren darüber sein, dass es auch Unschuldige erwischen kann. Rache benebelt manchmal das Gehirn und führt zu Fehlaktionen des Denkens...

Über einen solchen Denkfehler der Justiz und wohl auch des Volkes erzählt das Buch, das Andrea Maria Schenkel vorstellte: Finsterau.
Hier geht es um einen Justizirrtum, bei dem ein Vater des Mordes an seiner Tochter und seinem Enkelkind beschuldigt wird. Es wird schnell klar, dass er nicht der Mörder ist, aber die kochende Volksseele braucht das Opfer und die Justiz befriedigt diesen Wunsch...

Orlanda
 
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Orlanda
Orlanda
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Wissenschaftliche Ergebnisse hin oder her - vieles entspricht der Wahrheit - vieles auch nicht. Man denke nur einmal an die vorallem in der NS-Zeit allgemein gängige Ansicht, auch die Form des Schädels, des Gesichtes etc. würden auf eine kriminelle Veranlagung hinweisen. "Herausgefunden" hatte man das schon einige Zeit vorher, aber es war natürlich ein 'gefundenes Fressen' für jene, die alle möglichen Gründe dafür erfanden, um unliebsame Mitmenschen ins Gefängnis und zu Tode zu bringen.

Kinder sind, wenn sie geboren sind, unschuldige Wesen und KEIN Kind ist zum Verbrecher geboren! Leider werden aber Traumata und Psychosen von einer Generation zur anderen weitergegeben, wenn man sie nicht auflöst... Und wenn ich mir so manche Erwachsene anschaue, wundert mich nichts mehr....

Noch ein Wort zur Familienaufstellung: Sie verhindert gar nichts, sie ist nur ein Hilfsmittel zur Analyse der Störfelder.

Orlanda
(jetzt geh ich zum Krimifestival und höre mir an, was Josef Wilfling, Kriminaloberrat, aus seinem Buch zu dem Thema "Unheil - warum jeder zum Mörder werden kann" vorlesen wird.
Also, Ihr Lieben gebt gut auf Euch Acht...!)
 
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Bei der Zwillingsforschung, so hörte ich kürzlich aus berufenem Munde, sei sehr viel geschönt und passend gemacht worden. Man sollte also diese "Erkenntnisse" mit Vorsicht betrachten.

Schönen Tag noch
Merope
 
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Orlanda
Orlanda
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Ihr sprecht da aber vorallem von kranken Persönlichkeiten - wobei der Begriff "Krankheit" keine Verharmlosung darstellen soll.

Paranoid zu sein ist eine Krankheit!

Dass man Kriminalität einfach auf "angeboren" verschiebt, ist mir ein wenig zu banal, denn das hieße ja, dass niemand Verantwortung zu tragen hat. Wir quälen unsere Kinder, entziehen ihnen das was jedem Menschen zusteht und haben für die Folgen nicht aufzukommen - erinnert mich ein wenig an die Schlussfolgerungen vergangener Jahrhunderte...
der Arme ist selbst schuld daran arm zu sein, ebenso der Kranke, denn der hätte ein wenig mehr auf seine Gesundheit achten sollen...

Habe jetzt keine Zeit, werde mich aber noch zu diesem Thema äußern!

Orlanda
 
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Orlanda
Orlanda
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WAs, Veranlagung zum Mörder?

Es mag Kinder geben, die kompliziert sind, aber auch da gibt es Wege, aus einem solchen Kind einen "normalen" Menschen werden zu lassen...

Es sei denn, es liegt wirklich ein geistiger Defekt vor, aber dann steht auch fest, dass es sich um eine Krankheit handelt und nicht um echte Kriminalität.

Wer die Kindheitsgeschichten Krimineller verfolgt, wird IMMER Ursachen finden. Meistens, so habe ich am Wochenende gelernt und erfahren, geben ERwachsene ihre nicht verarbeiteten Neurosen und Traumata an die Kinder weiter. Was aber bei Mama und Papa nur ein wenig sonderlich ist, kann in der Seele des Kindes schon zur Katastrophe führen...

Orlanda
 
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Orlanda
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Also ich habe mir schon manchmal die Frage gestellt, wie es denn wäre, wäre man Vater oder Mutter eines Mörders.
Man kann natürlich sagen: Das passiert mir nicht, meine Kinder tun so etwas nicht.
Und wenn es doch passierte? Es ist wahrscheinlich das Schlimmste, das einem widerfahren kann. Ich würde hinter meinem Kind stehen und wäre es ein Massenmörder.

Für die erfolgreiche Therapie eines Opfers (so es noch lebt) oder auch für die der Hinterbliebenen, ist das Verzeihen unerläßlich, um den Schmerz zu besiegen, um weiterleben zu können. Sich in seiner Rachsucht zu suhlen bringt nicht weiter und mit dem Bewußtsein, dass durch das Blut des Täters nun die Schuld getilgt sei, endet man in einer Sackgasse.
Wer sich in der befriedigten RAchsucht verhärtet, wird seinen Schmerz und sein Leid niemals los.

Bemerkenswert finde ich ja, dass die Blutrache oftmals weniger von den direkt betroffenen Menschen gefordert wird, sondern von jenen, die von der Tat hören. Eine marktschreierische Presse, Vertreter von Parteien, die oftmals alles eher als menschenfreundlich agieren, heizen mit ihrer Forderung nach Todesstrafe die Massen an.

Da zählt dann auch nicht mehr, ob der Beschuldigte tatsächlich die Tat begangen hat. Die rachdurstige Volksseele kocht und will Blut fließen sehen. Das alleine schon ist mehr als genug ein Grund, die Todesstrafe abzulehnen.

Orlanda
 
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Dieser Meinung, Merlin, bin ich auch.

"Auge um Auge - Zahn um Zahn" - das war einmal.
Hier wird oft gesagt, dass sich die Menschheit weiterentwickeln müsse.

Aber eine Weiterentwicklung heißt m. E. nicht: Immer noch mehr Technik, immer noch mehr Wissen, sondern mehr Humanität - also: Menschlichkeit.

Schönen Tag noch
Merope
 
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Merlin47
Merlin47
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Egal welche Verbrechen jemand zu verantworten hat, bleibt er unter dem Strich dennoch ein Mensch.

Wenn ich zum Beispiel das Ende von Gaddafi ansehe, waren jene, die ihn getötet hatten auch nicht besser, als er selbst. Mich erfüllen solche Dinge mit Abscheu – ich stelle mir dann immer vor, ich müßte auf diese Weise selbst einen Menschen töten.

Merlin
 
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In Norwegen beträgt die Höchststrafe bisher nur 10 Jahre!
Man überlegt sich, wie man das in diesem Fall ändern kann.

Natürlich dürfen solche Menschen nie wieder in Freiheit gelangen - aber ich glaube nicht, dass den Angehörigen geholfen wäre, wenn man sie hinrichten würde.

Lebenslang müsste dann wirklich lebenslang sein, aber nicht im Luxusknast.

Schönen Abend trotzdem
Merope, die grad von ADAC heimgebracht wurde und deren "Hexle" nun vor der Werkstatt steht. (jammer-jammer)
 
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Meine Meinung: Grundsätzlich Nein.

Aaber: das (missglückte) Hitlerattentat z. B. durch die Männer um von Stauffenberg nötigt mir Hochachtung ab. In dem Fall, wo Völkermord usw. abzuwenden ist, kann die Tötung eines Diktators gerechtfertigt sein - ebenso der Todesschuss auf einen Schwerverbrecher - Vor der Tat!

Als Strafe hat die Hinrichtung gar keine Wirkung. Geschehenes Unrecht kann man damit nicht wieder ungeschehen machen.

Schönen Tag noch
Merope
 
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Orlanda
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Hab gestern schon meinen Senf dazu gegeben - ist aber verschwunden..
Ich meine, kein Mensch und keine Institution hat das Recht, einem Menschen sein Leben zu nehmen. Auch wenn das unser Rechts- oder Unrechtsempfinden manchmal fordert.

Schwer verhaltensgestörte Menschen gehören aber nicht in die Gesellschaft - sie sollten separat untergebracht sein. Wer aus einem solchen Trauma erwacht und sich seiner Taten bewußt wird, kann ohnehin nicht mehr frei und unbelastet leben. Man hört immer wieder von Mördern, die sich durchaus der Schwere ihrer Tat bewußt sind und es vorziehen, in der Einsamkeit weiterzuleben.
Triebtäter sollten keine Möglichkeit mehr haben, sich frei in der Gemeinschaft zu bewegen...

Orlanda

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