Beiträge zum Thema: was ist eigentlich "schlimm"?

 
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Hallo Allgäuer,

zu Teil 1 Deines Beitrages
"schlimm finde ich die Menschen, die Waffen für Völkermorde liefern und auch noch daran verdienen."
stimme ich Dir zu 100% zu.
DAS halte ich für relativ schlimm für alle, die in irgendeiner Form beteiligt oder ausgeliefert sind.

"Zum Glück gibt es die in Deutschland nicht???"
Warum so zaghaft? Wir wissen doch alle, WIE beteiligt Deutschland immer noch und immer wieder ist.
Aber "wir" lernen nichts daraus...

Das ist eine Art von "öffentlicher" Selbstüberschätzung (@ Merlin!) zu glauben, man hätte mit den Folgen nichts zu tun und könne nur die wirtschaftlichen "ERfolge" (!?) an Anspruch nehmen.
Und viele sehen zu. Schweigend. Mehr oder weniger.

emirena
 
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sorry, lieber Merlin,
aber ich sehe das anders.
"es gibt kein privates oder ein öffentliches Selbstwertgefühl, sondern nur "das Selbstwertgefühl".
Möglicherweise haben wir unterschiedliche Interpretationen des Begriffes Selbstwertgefühl.
Das "öffentliche" setzte ich gleich mit dem Ergebnis der unterschiedlichen Sozialisierung einer Gruppe oder eines Volkes. So könnte ich z.B. theoretisch "die Deutschen" ein wenig mehr zur Demokratie für fähig halten als ich es mit einem x-beliebigen anderen Volk tue. Ich kann mich selbst innerhalb einer Gruppe oder innerhalb eines Volkes oder innerhalb der gesamten Menschheit am oberen oder unteren Ende der gesamten Entwicklungsstufe sehen. Ob diese Selbstbetrachtung und folglich das Selbstwertgefühl immer richtig ist, sei dahin gestellt.

Ich schrieb auch nicht davon, dass man Leid "verdrängen" kann, sondern wollte die Option ansprechen, die ein Mensch hat, sich einem leidvollen Dasein komplett zu entziehen, indem er seinem Leben ein bewusstes Ende setzt. Dafür würden die 40% ausreichen, so lange ein Mensch noch "Herr seiner Kapazitäten" ist. Aber ein solcher Entschluss ist ja nicht so ohne weiteres in die Tat umzusetzen.
Auch da wäre jemand, der über ausreichend finanzielle Mittel verfügt, im Vorteil gegenüber anderen.

emirena
 
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moin, moin, im Neuen!
Möge es ein gutes und glückliches Jahr werden!

Zum Thema:
am ehesten verstanden fühle ich mich von Cardia
"Dann muss ich, so hart es klingt sagen, das ich mit " Nicht-VIP`s" noch mehr " mitleide, denn...
sie geraten in so einem Fall mit ihrer Familie in die Armut und...
können sich die beste Pflege nicht leisten..."

Ich vergleiche auch nicht Schumis Skiunfall mit dem (Ski-)Unfall eines anderen Menschen, sondern mit der realen Gefahr eines jeden "einfachen" (mittellosen) Menschen, der sich weniger oder gar keine Pflege, keine humane Betreuung leisten kann, aber dennoch vielen Gefahren, die er nicht selbst verursacht, ausgesetzt ist.

gibt es nicht? Ha! Es gibt Millionen!
Mir geht es nicht ausschließlich um Unfälle, sondern auch um Krankheiten oder situationsbedingte Notlagen im Allgemeinen.
Aber das Leid Unbekannter nehmen wir hin, weil "wir es ja nicht ändern können" (und weil diese Menschen und ihre Schicksale anonym bleiben).
Mit Schumi aber und seinen Angehörigen bangen wir, obwohl man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass es ihm an nichts fehlen wird, was man aus medizinischer Sicht für ihn tun kann.
Seine Angehörigen können sich die Zeit nehmen, die sie brauchen, um sich mit der Situation auseinander zu setzen und für ihn DA zu sein. Das wäre nicht für jeden anderen selbstverständlich und ist im "Normalfall" eher die Ausnahme als die Regel.

Also ich sehe da schon ein deutliches Ungleichgewicht in unserem "Sozialverhalten".


emirena
 
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Orlanda
Orlanda
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@Emirena: "... Warum haben "wir" mehr Mitleid mit VIPs als mit den vielen Millionen Menschen, die ohne eigenes Verschulden ihr Leben lassen müssen?..."

Ich glaube nicht, dass man grundsätzlich mehr Mitleid mit bekannten Persönlichkeiten hat als mit weniger bekannten. Die Betroffenheit, die einen befällt, wenn man von einem derartigen Unfall hört ist immer dieselbe - bei mir zumindest.
Solche Geschehnisse gehen aber auch deshalb oftmals so tief, weil sie uns an unsere Endlichkeit erinnern. Es kann immer ganz schnell zu Ende sein, auch wenn wir uns kerngesund fühlen. Niemand ist davor gefeit, dass sein Leben sich mit einem Schlag total verändert oder auch zu Ende ist.

Es geht aber nicht nur um denjenigen, den es trifft, denn für denjenigen sind im Falle des Todes ja alle Sorgen vermutlich vorbei.
Was aber ist mit den Menschen die zurückbleiben? Die mit dem plötzlichen ABschied fertig werden müssen oder auch mit der großen Belastung, nun für einen völlig hilflosen Menschen Verantwortung zu tragen? Welche Institutionen gibt es, die einem dabei wirklich zur Seite stehen? Und wenn man dann auch noch Kinder hat, geht es ja nicht nur um einen selbst, sondern auch darum, wie den Kindern geholfen werden kann, mit dem 'Schicksals'-Schlag umzugehen.

Die Familie Schuhmacher hat nun viel zu ertragen, aber sie ist damit im Verbund mit vielen, vielen Menschen auf Erden, die ähnliche tragische Vorfälle zu verkraften haben, sei es durch Unfall, Krieg oder andere Katastrophen. Wir können in diesem Fall wenig beitragen zur Linderung von Leid und Schmerz, allein gute Gedanken zu senden bleibt uns und um Kraft zu bitten für diese armen Menschen.

Alte Jahre, Neue Jahre, wir gleiten dahin wie auf einem Floß und niemand kennt die Landschaft, die uns nach der nächsten Flussbiegung erwartet.
Ich wünsche Euch allen aber fruchtbare, gesunde Landschaften in diesem neuen Abschnitt des Lebens, dem wir die Nummer 2014 gegeben haben!

Orlanda
 
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allgäuerbw
allgäuerbw
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Liebe Cardia,
meine Tochter hatte ein SHT 3, von den anderen Verletzungen ganz ab gesehen.
Für sie war immer klar, daß sie durch kommt, man braucht viel Glück und einen unbändigen Lebenswillen.
Ein paar kompetente Ärzte sind auch nötig.
Es ist ein harter langer Kampf, bei dem man auch bei Rückschlägen sich nicht aufgeben darf.
Nicht jeder hat den Willen, aber Schumi schon, sicher ist er hier im Vorteil, aber sein ganzes Geld bewahrte ihn nicht vor dem Unfall.
Jetzt braucht seine Familie und auch alle Anderen denen das Selbe wiederfahren ist viel Geduld und ein gewisses Gottvertrauen.

lg und ein GESUNDES neues Jahr
 
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Merlin47
Merlin47
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Liebe Cardia,

da kann ich dir nur zustimmen. Ich kenne da auch eine junge Familie, deren Familienvater nach einem Hirntod nochmals zu Leben erweckt wurde.

Sein Gehirn wurde irreperabel geschädigt, er wird deshalb niemals mehr aus dem Koma erwachen können. Nach der "Genesung" wurde er dann einfach nach Hause zu seiner Familie entlassen.

Die junge Frau mit ihren zwei kleinen Zwergen steht nun in dieser Situation ganz allein und mittellos da. Ich frage mich da schon, worin hier das verantwortliche Handeln der Ärzte besteht.


Merlin
 
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Merlin47
Merlin47
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Liebe Emirena,

es gibt kein privates oder ein öffentliches Selbstwertgefühl, sondern nur "das Selbstwertgefühl". Es hilft uns Situationen richtig einschätzen zu können, damit wir nicht zu Schaden kommen.

Etwas das uns nicht immer gelingt, wenn wir uns zum Beispiel selbst überschätzen. Selbstüberschätzung entsteht aber meist aus der Ebene des Verstandes heraus. Wir wollen etwas erreichen und blenden alle warnenden Anzeichen aus, obwohl eine inner Stimme mahnt, es zu lassen.

Sicherlich kannst Du Leid verdrängen, aber ganz tief in deiner Seele wird dieses Flämmchen weiter brennen. Immer wenn dann etwas Neues den Dunstkreis dieses Thema berührt, wirst Du wieder an dieses Gefühl der Ohnmacht erinnert werden.

Wenn Du bedenkst, dass 50% deines Wesen genetisch festgelegt sind und 10% von äußeren Einflüssen bestimmt werden, könnte man da schon von einer gottgewollten Fügung sprechen. Aber es bleiben dir ja noch die restlichen 40% mit denen Du dein Leben gestalten kannst.

Das Selbstwertgefühl sagt dir auch, wenn dein Tod unvermeidlich ist und deine Kräfte nicht mehr ausreichen, um diese bedrohliche Situation überwinden zu können. Das ist dann auch der Augenblick, in dem deine Seele deinen Körper aufgibt und dich sterben lässt.

Es macht also wenig Sinn, wenn Dritte gegen diese tiefe innere Erkenntnis des Sterbens ankämpfen wollen. Im Gegenteil, denn damit wird dem Sterbenden seine Ohnmacht nicht sterben zu dürfen noch deutlicher vor Augen geführt.

Wäre es da nicht sinnvoller, ihm ihn seiner Angst vor dem Loslassen seines Lebens und dem ungewissen Danach beizustehen?


Merlin
 
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Liebe Emirena,

so, wie du schreibst, " schlimm " ist immer relativ.

" Und aus dem Chaos sprach eine Stimme:
" Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Und ich lächelte und war froh, und....
es kam noch schlimmer.-

Auch ein Schädel-Hirn- Trauma ist immer relativ...
Der Schweregrad von " Schumis " Verletzungen mit Hirnschwellung und immer wieder Einblutungen ist, auch wenn er durchkommt, nicht mehr zu 100% reparabel.
Da folgt Wachkoma oder- schwere Folgeschäden; es sei denn,...
es geschähe ein Wunder.-

Dann muss ich, so hart es klingt sagen, das ich mit " Nicht-VIP`s" noch mehr " mitleide, denn...
sie geraten in so einem Fall mit ihrer Familie in die Armut und...
können sich die beste Pflege nicht leisten...

Alles ist schlimm, aber...
für " Normalos " ist so etwas NOCH schlimmer und...
da kräht oft kein Hahn danach...

Ein gutes 2014 wünsche ich ebenso allen und nichts Schlimmes!

Cardia
 
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allgäuerbw
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hallo Emirena,
schlimm finde ich die Menschen, die Waffen für Völkermorde liefern und auch noch daran verdienen. Zum Glück gibt es die in Deutschland nicht???
Schlimm steht es auch gerade um Schumi, ich wünsche ihm und seiner Familie viel Kraft und Zuversicht,
Habe vor 5 Jahren das selbe durch gemacht mit einer Tochter, wir hatten sehr sehr sehr viel Glück.
lg aus dem nicht schlimmen Westallgäu
 
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hallo Merlin,

das wird wohl so sein, dass es als Gefühl der Ohnmacht empfunden wird. Weitgehend natürlich auch bei mir.
Andererseits, wenn ich eine globale Katastrophe nicht ändern kann, muss ich deswegen nicht an meinem ganz privaten und persönlichen Selbstwertgefühl zweifeln.

Das Leid ertragen? Meistens tut "mensch" sich (zu) leicht damit, diese umfassende "Unzulänglichkeit" zu erkennen und das Leid von Unbekannten als schicksalhaft (oder gottgewollt, ganz nach Belieben) anzunehmen. Dann wird der Begriff "schlimm" schnell zu einer Art Rechtfertigung für die eigene passive Haltung.

Das eigene Leid ist ja meistens etwas gaaanz anderes!?

MUSS der Einzelne Leid wirklich ertragen? Kann er nicht selbstbestimmt Leid "abwählen" in bestimmten Situationen?

Habe gerade einen hoch interessanten Artikel gelesen in DIE ZEIT über die Frage, ob sich ein Todkranker selbstbestimmt der gnadenlosen Medizinmaschinerie verweigern kann und sollte.

Meine Meinung zu dieser Frage: es kommt auf den Menschen an.

emirena
 
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Merlin47
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Beschreibt das Wort nicht ein Gefühl der Ohnmacht, wenn unsere Seele verletzt oder in Frage gestellt wird? Etwas, das auch mit unserem Selbstwertgefühl zu tun hat: Wir müssen unsere Unzulänglichkeit erkennen und das Leid ertragen.

Merlin
 
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Richtig schlimm finde ich selten etwas (so lange ich es auf mein bescheidenes kleines Ego beziehe).

Schlimm kann eine Situation sein oder werden, wenn ich sie nicht zum Positiven verändern oder ihr nicht entgehen kann. Dann muss man evtl. seine Einstellung zu den Dingen hinterfragen.

Schlimm (oder tragisch) kann es sein, wenn jemand in einer Situation verharrt, die ihm nachhaltig schadet.

Schlimm UND/ODER tragisch finde ich Verbrechen wie Genozide und die Hilflosigkeit und/oder Feigheit, die Menschen befällt, die solche "Phänomene" beobachten und dazu schweigen.
Schlimm finde ich auch die Auswirkungen von Naturgewalten, obwohl der Einfluß der Menschheit auf die Natur längst nicht mehr geleugnet werden kann.

Schlimm (oder tragisch) finden die meisten Menschen Schumis Unfall.
Andererseits - ich finde es auch schlimm für ihn und seine Familie, aber mindestens genauso schlimm fände ich es, wenn es einen anderen unbekannten Menschen getroffen hätte.

Warum haben "wir" mehr Mitleid mit VIPs als mit den vielen Millionen Menschen, die ohne eigenes Verschulden ihr Leben lassen müssen?
Mensch ist Mensch, oder?

emirena

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