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Orlanda
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Liebe Jockeline,
vor drei Jahren saß ich zwischen Freising und Neufahrn um 9 Uhr abends in dem Zug, vor den sich ein Mensch geworfen hatte. Ich spüre es noch heute, wie unter den Rädern etwas schlug. Als der Zug dann stand und das grauenhafte durchgesagt wurde, war da etwas wie eine Glocke, das mich einhüllte. Mag es FAntasie sein, überreizte Nerven, auf jeden Fall meinte ich den Menschen zu spüren, der da sich selbst zerstört hat. Ich spürte die Trauer und das Entsetzen dieses armen Menschen, spürte das Grauen über seine Tat. Mir war als müßte ich seine Hände nehmen und mit ihm weinen.
Um mich herum reagierten die Mesnchen ganz verschieden auf das was geschehen war. Ein Mann lief herum und schimpfte auf die Polizei, die Feuerwehr und die Bahn, weil er nun zu spät zur Party käme. Es war sicher auch der Schock, der ihn so reagieren ließ.
Mir war, als ginge der Verstorbene die nächsten Wochen ständig mit mir herum. Ich lief immer wieder in die Kirche, betete (obwohl ich ja eigentlich kein gläubiger Mensch bin!). Ich forderte die Seele auf mit mir zu beten, ich betete zu Maria, diesem Menschen zu helfen zu Gott und zum Frieden zu finden.
Es ist erstaunlich, welchen Weg man geht, wenn man in eine Situation gerät, die einen so aus allem wegführt, was sonst von Bedeutung und Alltag ist.
Irgendwann hatte ich das GEfühl, dass der tote Mensch nun Ruhe gefunden hätte. Heute noch, wenn ich auf dem täglichen Weg zur Arbeit an der Stelle vorbeifahre, an der er oder sie gestorben ist, denke ich an ihn/sie. Wenn es Frühling ist und die Welt wieder neu aufersteht oder an trüben Tagen. Auch am Jahrestag Anfang März...
Mein bester Freund starb auch durch Selbstmord und auch mit ihm/seiner Seele ging ich bis ich eines Tages träumte, dass wir uns verabschiedeten, lachend... Er ging und niemals mehr träumte ich von ihm. Aber es gibt noch Momente, da weiß ich, dass es noch eine Verbindung zwischen uns gibt...
Das schlimmste an solchen Dingen ist der Gedanke, dass man nicht da war, als der Mensch zur Selbstzerstörung schritt. Drum rede ich auch die schluchzende Frau auf der Parkbank an und versuche ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine ist. Oder die überforderte Mutter... Oder auch frühmorgens im Moor den jungen, betrunkenen Mann, der mir dann weinend erzählt, dass ihn seine Freundin verlassen hat.
Das Leben bringt so viele Schrecklichkeiten, sie kreuzen unsere Wege, wir brauchen nur die Augen offen halten.
Orlanda
(trotzdem IM Leben und voll Freude...)