Beiträge zum Thema: Lyrik...

 
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Orlanda
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Die blaue Blume

Ich suche die blaue Blume,
Ich suche und finde sie nie,
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh.

Ich wandre mit der Harfe
Durch Länder, Städt und Au'n,
Ob nirgends in der Runde
Die blaue Blume zu schaun.

Ich wandre schon seit Langem,
Hab lang gehofft, vertraut,
Doch ach, noch nirgends hab ich
Die blaue Blume geschaut.

Joseph von Eichendorff

(Vermutlich hat Herr von Eichendorff zu einer falschen Jahreszeit die blaue Blume gesucht! Ich bin sicher, sobald es Frühling geworden ist, werden wieder überall blaue und andersfarbige Blumen zu finden sein! - Ich freu mich schon auf die ersten Leberblümchen, sie sind für mich die schönsten Frühlingsblumen!)
Orlanda
 
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Orlanda
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"wellness

die
matte sonne
ging
hinter den
wolken
zum duschen
und
kam stahlend
zurück"

(Gabriele Kromer, aus "Rabenchor")
 
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Orlanda
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Heute trieb es mich in eine Buchhandlung, in der ein neues Buch mit Gedichten und Grafiken ausgestellt war.

Aus "Rabenchor" von Gabriele Kromer:

"im netz

all meine freunde
im net,
world wide,

chatten -
die versicherung
für noch mehr

freunde.
chatten gegen
die einsamkeit.

show down
der activities -
und niemand

world wide,
der meine
hand hält."
 
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Orlanda
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Zum Tagesausklang und im Hinblick auf das in Aussicht gestellte Gewitter heute Nacht ein kleines Gedicht:

http://www.youtube.com/watch?v=ijvXUuk0POQ

Gute Nacht und nicht fürchten, wenn's blitzt und kracht!
Orlanda
 
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Orlanda
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Das Märchen von der Wolke


Der Tag ging aus mit mildem Tone,
so wie ein Hammerschlag verklang.
Wie eine gelbe Goldmelone
lag groß der Mond im Kraut am Hang.

Ein Wölkchen wollte davon naschen,
und es gelang ihm, ein paar Zoll
des hellen Rundes zu erhaschen,
rasch kaut es sich die Bäckchen voll.

Es hielt sich lange auf der Flucht auf
und sog sich ganz mit Lichte an; -
da hob die Nacht die goldne Frucht auf:
Schwarz ward die Wolke und zerrann.



Rainer Maria Rilke (1875 -1926)
 
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Orlanda
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Süßer Mai du Quell des Lebens
Bist so süßer Blumen voll
Liebe sucht auch nicht vergebens
Wem sie Kränze winden soll

Süßer Mai, mit Blumen-Glocken
Läutest du das Fest mir ein
Ich bekränze ihre Locken,
Will ein frommer Gast auch sein

Süßer Mai, zum Liebesmahle
Trägst du Blumen-Kelche ein
Blüten-Säulen stehn im Saale
Drüber wölbt sich Sonnenschein

Süßer Mai, in deinen Kelchen
Küssen fromme Bienen sich
Aber unter allen welchen
Hast du eingefüllt für mich!

Süßer Mai! du bringest nieder
Blume, Blüte, Sonnenschein,
Daß ich wisse, wem die Lieder,
Wem das Herz, das Leben weihn.

Clemens Brentano
 
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Orlanda
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"Unser Leben - aneinandergereihte Momente

... Die Momente des Lebens - manchmal aneinandergereiht wie unförmige Perlen, holprig, nicht zueinander passend, und dann wieder eine große Einheit, ein großes Ganzes ergebend, vom ersten bis zum letzten Herzschlag und dem Pochen dazwischen, das uns von Augenblick zu Augenblick getragen hat..."

Aus "Momentaufnahme - ein Plädoyer für den Augenblick" Abenteuer Philosphie Ausgabe 1


Orlanda
 
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Orlanda
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Ich hab nichts als
die Nacht aus
100 x 100 Nebellichtjahren
Ich hab nichts als
Die Stunde aus
60 x 60 Sekunden
Ich habe nichts als den Moment
Der Moment der Schöpfung
Die Brücke von meinem
Staubgeist zum Sterngeist
Der Moment ist mein Flügel
Zum Flügel des nächsten Moments
Ich habe nichts als Flügel
Ich habe nichts als die Schöpfung
Ich habe nichts als den Moment


Rose Ausländer



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Orlanda
 
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Orlanda
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Scheint der Herr Mond so schee,
sollt zu mein Dianei geh', /
sollt zu mein Dianei geh,
weil s'is so schee bei da Nacht, /
sollt zu mein Dianei geh,
weil s'is so schee.

Wia i's zum Fenstal kimm,
ihr mei nei's Gsangl sing,
draht si s'Diandl a glei um,
fragt, wo gehst um bei da Nacht,
draht si s'Diandl a glei um,
fragt, wo gehst um.

Wo wer' i's denn umgeh,
des muaßt wohl selm versteh'
daß i zu dir hergeh,
des woaßt ja eh, bei da Nacht,
daß i zu dir hergeh, des woaßt ja eh.

(Steirisches Volkslied)


S'Fensterln war ja im Winter noch viel schöner als in der warmen Jahreszeit... Koa Of'n hat so guat g'wärmt wia'da Bua und d'Liab...

Orlanda
 
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Orlanda
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Liebe Erinnerung,

So geht's mir mit meinem alten Fahrrad.
Es ist nun schon 24 Jahre alt und
es ist gezeichnet vom Leben -
auch gezeichnet von all unseren schönen
gemeinsamen Touren..

Ich wollt es schon durch ein
neues, schönes, glänzendes und leichter zu
fahrendes Fahrrad ersetzen.
Im Fahrradgeschäft sah ich sie,
die tollen Flitzer..

Aber ach, als ich heimkam,
stand da mein liebes altes Fahrrad,
Freund, Kamerad und Genosse vieler
tausend Kilometer,
Freund in Freud und Leid.

Es hat mich getragen,
durch Sturm und Wind,
bei Regen trug es mich
sicher über die Hügel...

Nun soll ich Dich ersetzen
durch ein anderes, blinkendes
Gestänge? Dich verraten?
Wird dieses neue funkelnde Ding
mir jemals das werden
können, was Du mir warst
und bist?

Nein, mein Liebes, ich behalte
Dich,
wir brechen einst, wenn uns
nichts mehr hält, gemeinsam
zusammen, so wie wir auch
gemeinsam übers Land
gefahren sind...

Wie schön es war...
und noch sein wird,
Du und ich, wir sind ja beide
nicht mehr jung,
die letzte Schußfahrt über eine
Schotterstraße ließ uns beide
schlottern...
Aber es war noch nicht wirklich
die letzte...

Orlanda
(kann natürlich mit etwas Fantasie auf alles Mögliche umgeschrieben werden...)
 
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Der andre Mann

Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an....
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.

Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht - du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denkst bei dir so: -Eigentlich...
Der da wäre ein Mann für mich! -

Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
dann kennst du ihn in Unterhosen;
dann wird er satt in deinem Besitze;
dann kennst du alle seine Witze.

Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
von oben und unten, von hinten und vorn...
Glaub mir: wenn man uns näher kennt
gibt sich das mit dem happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier....
und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer,
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.

Und hast du einen Kerl gefunden,
mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!

(Kurt Tucholsky)
 
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Im Überfluss die Blumen ranken
nur fröhliche Gedanken

der Herbst, er ist noch weit
geniessen wir die schöne Zeit

vergessen ist die Dunkelheit
beglückt ist das Leben zu zweit

Denk an heute nicht an Morgen
lasst die Ängste und die Sorgen

Heute leben mit Genuss und Freude
denn das ist wahre Lebensfreude!

Autorin Erinnnerung
 
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war mir schon klar, Merope, daß das nicht auf mich bezogen war. Neruda hat eigentlich überhaupt nicht gereimt und gehört trotzdem zu den "ganz Großen".

Übrigens käme ich nicht auf die Idee, Gedichte zu "suchen"; ich beschäftige mich mit Landschaften, Menschen und ihrer Lebenseinstellung oder LebensART, mit Inhalten, die sprachlich gekonnt umgesetzt werden....
Schöne Sprache ohne Inhalt läßt mich kalt.
Davon gibt es mehr als genug.

emirena
 
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Das war jetzt aber nicht auf dich bezogen, emirena - im Gegenteil: Dank für das schöne Neruda-Gedicht.

Wir beide hatten nur gerade einen "Crash". Hat aber nicht weh getan.
 
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Ob alles, was sich reimt wohl auch ein Gedicht ist?

Ich frag ja nur....:-)
 
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bravo Orlanda!

HH, mit dem Bewerten hast Du selbst angefangen, indem Du Hesses Stufen als traurig und hoffnungslos bezeichnet hast.

Es steckt viel (echte) Schönheit in den Dingen, die nicht schön gezeichnet sind, mir gefällt z.B auch Pablo Neruda.

Eine Kostprobe:

"An die ganze Erde wollen wir denken,
auf den Tisch voll Liebe hämmernd.
Ich will nicht, daß wieder Blut
das Brot durchtränke, die Bohnen,
die Musik: ich will, daß
der Bergmann, das Kind,
der Anwalt, der Matrose,
der Puppenfabrikant mit mir kommen,
da wir ins Kino gehen und heruaskommen,

Wein zu trinken, den rotesten Wein.

ich komme nicht, etwas zu lösen.

Ich kam hierher, um zu singen
und auf daß du mit mir singst."

...eines seiner "lieblichsten" Gedichte;
schade, daß ich die Originalsprache nciht genug kenne, um die Tiefe der Worte vollständig zu verstehen.

emirena
 
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Und noch einen Hesse, seine "heitere" Seite....

Des Gärtners Traum

Was hast du Traumfee in der Wunderbüchse?
Vor allem ein Gebirg von bestem Mist!
Dann einen Weg, auf dem kein Unkraut wüchse,
Ein Katzenpaar, das keinen Vogel frißt.

O Fee, und mache, dass uns Wasser flösse,
In jedem Ort, den wir bepflanzt, besät;
Spinat, der niemals frech in Blühten schösse!
Und einen Schubkarren, der von selber geht.

Ein Pulver auch, mit dem bestäubt alsbald
Blattläuse sich in Rosenflor verwandeln,
Robinien jedoch zu Palmenwald,
Mit dessen Ernte wir gewinnreich handeln.

Und eins noch: ein sicheres Mäusegift.
Den Wetterzauber gegen Hageltücken.
Vom "Stall" zum Hause einen kleinen Lift,
Und jeden Abend einen neuen Rücken.
 
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Orlanda
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Und gleich noch einen Hesse, weil er gar so schöne Gedichte schrieb:

Voll Blüten
(Hermann Hesse)

Voll Blüten steht der Pfirsichbaum,
Nicht jede wird zur Frucht,
Sie schimmern hell wie Rosenschaum
Durch Blau und Wolkenflucht.

Wie Blüten gehn Gedanken auf,
Hundert an jedem Tag -
Lass blühen! Laß dem Ding den Lauf!
Frag nicht nach dem Ertrag!

Es muss auch Spiel und Unschuld sein
Und Blütenüberfluss,
Sonst wär die Welt uns viel zu klein
Und Leben kein Genuss.

- . -

In diesem Sinn allen die guten Willens sind einen schönen Tag!

Orlanda
 
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Die Dinge klingen immer so, wie man sie in seinem Inneren aufgrund eigener Erfahrungen bemißt.
Das Gedicht Stufen ist eines der schönsten und hoffnungsvollsten, wenn man es richtig versteht...

Liebe Heydiehex, wir wollen uns hier doch nicht gegenseitig unsere Art von Lyrik-Verständnis madig machen, aber so wie Du Deine "Lyrik" immer anpreist, wirst Du genau das Gegenteil von dem erreichen, was Du anstrebst.

Mir ist Deine Lyrik zu seicht, zu vordergründig, immer mit einem erhobenen Zeigefinger versehen, immer vor sich hertragend, dass nur Du es verstehst, wie man glücklich und fröhlich wird.

Es ist DEINE Art und Weise die Dinge zu sehen und das ist für Dich auch gut. Aber warum meinst Du, dass das Allgemeingültigkeit haben muss? Du hast sicher vieles überwunden und für Dich ins rechte Lot gebracht, aber Deine "Stützen" sind anderen vielleicht nicht passend!

Wer den Touch Melancholie liebt, ist deshalb noch lange keine Melancholiker, sondern wird von Deinen Wonne+Heilewelt-"Traktaten" eher abgestoßen als angezogen! Jeder Feinschmecker weiß, dass man Süße und Wohlgeschmack manchmal mit etwas Herbe oder Schärfe hervorheben kann, was einem Gericht eine interessante Note verleiht. Mit dem Leben ist es genauso! Was wäre die große Literatur ohne die Prise Wehmut, die sie manchmal umgibt, was wäre ein Gemälde ohne Kontrast, manchmal ohne die Farbe Schwarz, was wäre die Musik ohne tiefe, wohlklingende Töne und ohne Moll?

Suhle Dich ruhig in Deiner Welt der verordneten Freude und des ewigen Sonnenscheins, aber lass den Anderen den Schatten, den sie brauchen, um sich wohlzufühlen!

Orlanda
 
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Einfach, weil heute auf SWR 3 eine Sendung über Hermann Hesse kam - und weil dies mein absolutes Lieblingsgedicht ist - und obwohl ich es schon mal eingestellt habe: hier nochmals:

Hermann Hesse

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

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