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Merlin47
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Liebe Ägypterin,
sehe es mit dem Ausflug Isis in das Imperium Romanum doch einmal von der praktischen Seite, Du hast dadurch ein Stückchen Ägypten direkt vor Deiner Tür.
Warum Jesus und seine Jünger nichts aufgeschrieben haben, liegt am eigentlichen Ziel seiner Lehre. Ein Ziel, das über die Jahrhunderte immer weiter aus dem Blickfeld gerückt wurde.
Jesus hatte die Vorstellung von Johannes des Täufers aufgenommen, daß das Reich Gottes bereits angebrochen oder unmittelbar bevor stände. Ein Reich, in dem Schuld, Leid, Tod und Elend überwunden und nur noch das Wort Gottes gelten sollte. Mit dem Endgericht am Jüngsten Tag und sollte diese neue Weltordnung eingeleitet werden.
Im Gegensatz zur heutigen Vorstellung, glaubte er also, daß dieser Jüngste Tag nicht zu einem unbestimmten Zeitpunkt stattfinden würde, sondern bereits in greifbarer Nähe war.
Hier eine der vielen Stellen im neuen Testament, die diese Vorstellung klar und deutlich formuliert:
Markus 9, 1 Und er sprach zu ihnen (die Apostel): Wahrlich, ich sage euch: Es stehen etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken. Bis daß sie sehen das Reich Gottes mit seiner Kraft kommen.
Die Vorstellung vom Reich Gottes auf Erden war aber keine neue Vorstellung jener Tage, sondern verkörpert eine Sehnsucht des jüdischen Volkes nach Freiheit vor der Fremdherrschaft, die dieses Volk durch seine Geschichte ständig begleitete.
Gerade zu der Zeitwende war diese Sehnsucht durch die Präsenz der Römer besonders aktuell. Ein Umstand, der ja dann 70 n.Chr. zur Zerschlagung des jüdischen Staates führte.
Beim Propheten Jesaia (8. Jh v.Chr.) wird über das Errichten eines solchen Reiches geschrieben. Nach dieser Prophezeiung würde das Leiden eines Gottesknechtes die Niederkunft eines Messias herbeiführen.
Das ist dann auch der Punkt, warum Jesus die Vorzeichen des leidenden Knechtes mit seinem eigenen Tod erfüllen wollte, um das Reich Gottes zu realisieren. An verschiedenen Stellen im Neuen Testament wird diese Absicht auch deutlich.
Warum sollten sie also etwas aufschreiben, wenn der Tod ohnehin mit dem Reich Gottes überwunden worden wäre?
Das Aufschreiben begann deshalb erst nach einer gewissen Zeitspanne, ohne daß dieses Ereignis eingetroffen war. Schon Paulus begann in seinen Briefen, das Ausbleiben zu relativieren. Noch bis ins 3. Jh glaubten die Christen an dieses unmittelbar bevorstehende Ereignis.
Es wurden jedoch immer wieder Jahreszahlen festgelegt, mit den man dieses Ereignis verknüpfte (300, 500 u. 1000). Erst, als auch das Jahr 1000 verstrichen war, hatte man das Ereignis endgültig auf einen unbestimmten Zeitpunkt verlegt.
Selbst wenn man kein Anhänger Jesus ist, so ist doch zumindest seine Geschichte interessant.
Merlin