Menschen mit Sex im Alter ab 50 schweben mehr als auf Wolke 7. Das zeigt der Independent Film von Regisseur Andreas Dresen. Schon sein Kassenschlager „Halt auf freier Strecke“, der in diesem Jahr in die Kinos kam, beeindruckte mit sentimentalen Stimmungsbildern über die Krankheit Krebs.
Aber auch schon damals, in seinem Drama Wolke 9, stehen Leidenschaft, Dramatik aber auch die Lust am Leben im Vordergrund.
Die gut besetzten Szenen werden leise, ja fast schon dokumentarisch, auf das Publikum übertragen. Mit höchster Detailtreue beschreibt Dresen mit seinen Schauspielern, ein Ehepaar, das über die Jahre hinweg eingerostet ist, seine Geschichte. Stille Bilder, die in vielen Momenten ohne große Wortwechsel auskommen, genügen, um den Zuschauer vor dem Bildschirm zu halten.
Die Hauptdarstellerin Ursula Werner spiel die Ehefrau Inge äußerst beeindruckend. Sie zwängt sich in diese Rolle regelrecht hinein, was sich positiv auf das authentische Schauspiel auswirkt.
Die Hobbynäherin und leidenschaftliche Chorsängerin, gerät in eine feurige Affäre, als sie einem Kunden die Hosen stopfen will.
Der 76-jährige Charmeur nutzt die Gunst der Stunde, und das Schicksal nimmt so seinen Lauf.
Anfänglich hadert, die mittlerweile verzweifelte Inge, mit ihren Gefühlen, kann ihre eigene Situation nicht verstehen und macht sich Vorwürfe gegenüber Ihrem Ehemann.
Nach einem ausführlichen Geständnis, verschlechtert sich die Stimmung von Minute zu Minute, bis es zu einem tragischen Höhepunkt kommt.
Wahrhaftig, emotional und mit einer Selbstverständlichkeit hat Dresen hier ein tolles Werk erschaffen. Mit präzisen Verschachtelungen und der Kombination von Situationen genügen meist seine Bilder und dargestellten Szenen. Ganz zu schweigen von den Darstellern, die allesamt überzeugende Leistungen abliefern.
Sicherlich ist das Thema in manchen Bereichen überspitzt dargestellt und auch die reichlichen Sexszenen sind ab und an etwas zu viel, doch was das Filmteam daraus macht ist erwähnenswert. Die sexuellen Bilder sind keine aus dem Sortiment „Softporno“, sondern gefühlvolle Einblendungen, die schlicht und einfach die Realität wiedergeben. Das zeigt auch der Film, wie er mit dem Thema Nacktheit umgeht. Es wird nichts beschönigt und nichts verheimlicht. Posen werden offen und klar präsentiert und zeitweise mit Humor bekräftigt. „Weißt du wie 80-jährige vögeln? – Die Frau macht einen Handstand während der Mann einfach da steht.“ Aussagen, die einem älteren Paar Mut machen und das alles ohne rosa Pillen.
Der Film kritisiert das Thema nicht direkt und somit bleibt am Ende Raum für seine eigene Meinung. Das ist insofern sinnvoll, da nicht jeder mit dem Verlauf des Films einverstanden sein wird. Dafür gibt es zu viele moralische Ecken und Kanten.
Jedoch ist es wichtig, offen für „Sex im Alter“ zu sein und sich nicht von Anfang an ein negatives Bild davon zu malen.
Solch ein Thema wird in unserer heutigen Gesellschaft oft unter den Teppich gekehrt. Da doch alles in den Medien nach jungen, erfolgreichen und schönen Menschen ausgerichtet ist, bei denen körperlicher Makel, Langsamkeit und Geduld ein Fremdwort zu sein scheint, wundert es nicht das Dresen mit diesem Film Klischees aufräumen möchte und die Dinge in das richtige Licht rücken will.
Es ist also nie zu spät für ein neues Wagnis, schon gar nicht nicht für Menschen ab 50plus.